Blog #13, Marlene:
In Griechenland hatten wir unsere beiden Dieseltanks bewusst leer gefahren. Nach dem Grenzübertritt in die Türkei ging es direkt an die Tankstelle, da der Diesel hier um die Hälfte günstiger ist. Pro Liter zahlen wir hier ca. 65 Cent. Bei unserer Tankgrösse macht dies in etwa 250.- € aus pro Füllung.
Es hat uns gleich wieder ans Meer gezogen und wir suchten uns einen ruhigen Stellplatz am Marmarameer, dass den Prosperos mit der Ägäis verbindet. In unmittelbarer Nähe zur Grenze hat es einen Campingplatz wo wir am nächsten Tag gratis Wasser auffüllen dürfen. Dani hat ihnen dafür den Wasseranschluss repariert. Wir haben uns entschieden, dass wir das Wasser filtern, damit es nicht zum «tout suite» kommt. Das stellen wir uns im Camper unangenehm vor.
Am Folgetag sind wir einmal quer übers Land an die Schwarzmeeküste gedüst. Die Fahrt führte uns durch monotone Baumlandschaften. Wir gehen davon aus, dass diese Wälder angepflanzt wurden, denn unterwegs haben wir Köhler (bezeichnet einen Beruf, dessen Aufgabe es ist, Holzkohle herzustellen) gesehen. Dazu wird Holz in einem Kohlenmeiler (sieht aus wie ein Holz Iglu) verschwelt. Der zugehörige Handwerksbetrieb, bzw. die Tätigkeit, nennt sich Köhlerei. Wir kannten dies nur aus dem Museum Ballenberg.
Kaum angekommen, kommen zwei Herren (Suleiman und Öscan) in unserem Alter mit dem Auto zu unserem Stellpatz und laden uns zum Raki ein. Raki ist das türkische Nationalgetränk, hergestellt aus Weintrauben oder Rosinen gebrannter Anisée mit Anissamen zur Aromatisierung. Schmeckt wie Pastis. Die Beiden rochen merklich nach Alkohol und ihr Gang war nicht mehr trittsicher. Wir haben dankend abgelehnt aber versprochen, dass wir am nächsten Tag erscheinen werden.
Kaum die Resten des Frühstücks runtergeschluckt stand Suleiman ausgenüchtert vor der Tür. Ok, alles einpacken, abschliessen und bei ihm ins Auto steigen und abwarten was passiert. Suleiman hat hier im nächsten Dorf ein grosses Haus mit Sicht aufs Meer. Er lebt und arbeitet als Anwalt in Istanbul und kommt an den Wochenenden hierher um sich zu erholen. Wir sind mit türkischen Caffè gestartet, dann gabs Cay. Soviel Koffein bzw. Teein ist sich Marlene nicht gewohnt und sie meint, «Vollmond und diese Getränke lassen mich nachts mit den Schakalen um die Wette heulen».
Mit Tee und Kaffee war es nicht getan, wir waren zusätzlich zum Essen eingeladen. Wobei Marlene ihr veganes Essen selber zubereiten durfte, denn es war für die beiden ein Rätsel , wie man auf Fleisch verzichten kann. Dazu gabs eben den schon erwähnten Raki. Nach dem Essen wurde noch türkische Folklore getanzt. Wir drehten uns tanzend im Kreis, diskutierten und lachten den ganzen Abend durch. Es war ein weiterer unvergesslicher Abend von ehrlicher Herzlichkeit und Gastfreundschaft überstrahlt. Da können wir Schweizer uns eine grosse Scheibe abschneiden! Hand aufs Herz, wer von euch hat schon wildfremde Menschen zum Essen oder gar wohnen eingeladen?
Istanbul ist ein langersehntes Ziel, welches wir nach 9 Monaten auf unserer Reise und unzähligen unglaublichen Erlebnissen und Überraschungen erreichen. Hurra! Die Restaurants und Bars sind hier offen und wir kosten dies genussvoll aus und rollen unsere vollen Magen abends erschöpft ins Bett.
Im Vorfeld hat Dani über eine Schweizer Firma einen Termin für einen Augenlasereingriff in Istanbul vereinbart. Sein Rucksack für den 3-tägigen Aufenthalt in der Augenklinik hat er gepackt und ist losgezottelt. Ich habe einen «Laundry Tag» und einen Spa Besuch ins Auge gefasst. Kaum retour nach meiner Joggingrunde stand Dani mit Rucksack schon wieder da. Im Schlepptau die Übersetzerin und der Augenarzt. Sie möchten das Fahrzeug besichtigen. Was ist jetzt los, denke ich etwas genervt.
Dani hat nach den Voruntersuchungen das Ganze abgeblasen. Der vom Arzt vorgeschlagene Eingriff hat nicht den Vorstellungen von Dani entsprochen. Er hat auf seine Intuition gehört, sein Bauch hat «Nein» gesagt. So sind wir zusammen zur Wäscherei und haben danach einen herrlichen Nachmittag im Spa inklusiv Massage genossen.
Die meisten wichtigen Sehenswürdigkeiten, wie die Blaue Moschee, Hagia Sophia, der Grosse Basar, Cisterna Basilica, usw. hatten wir vor Jahren in Istanbul schon mal bewundern dürfen. Wir können uns somit auf die nicht so touristischen Details konzentrieren und verbringen die Tage in den ursprünglichen Viertel um Istanbul herum. Balat ist ein solches Viertel mit kopfsteingepflasterten Gassen und farbenfrohen Häusern. In einem hippen Café gabs einen Cay und «home-made» Kuchen. Ich komme beim herumschlendern kaum an einer Bäckerei oder an einer Saftbar vorbei, einfach paradiesisch.
Wir Parken so quasi am Bellevue von Istanbul, direkt am Bosporus. Die Sicht würde direkt auf den Galata Tower fallen, wenn dann nicht zwei NATO Schiffe vor uns geankert hätten. Wahnsinnige Teile, leider haben wir nicht exakt herausgefunden was ihre Mission ist. Vermutlich wollte die Nato wegen dem Russland-Ukraine Konflikt, im Schwarzen Meer Präsenz markieren. Am Ankunftstag war die Polizei mit Maschinengewehren bewaffnet vor Ort und einige Menschen zogen mit Plakaten durch die Gegend auch da wissen wir nicht mehr.
Der Stellplatz ist erstaunlich ruhig und ausser Hundegebell und dem Ruf der Muezzins in der Stadt hören wir keinen Lärm. Wir geniessen abends die Sonnenuntergänge zusammen mit unserem Nachbarn Vito, welcher aus England angereist war aber in der Türkei aufgewachsen ist. Er ist Musiker und so kommen wir noch in den Genuss eines privaten Akkordeon-Konzertes - wie cool ist den das.
In diesen Tagen findet ein Halbmarathon durch Istanbul statt. Wir haben es leider zu spät erfahren. Eine Anmeldung zur Teilnahme war leider nicht mehr möglich. Schade. Wäre ein einmaliges Erlebnis gewesen. Wir konnten die Läufer von unserem Fenster aus betrachten. Unglaublich welches Tempo die Spitzenläufer, meist Afrikanischer Herkunft, an den Tag legen. Sieger in 59:35 wurde KIBIWOTT KANDIE aus Kenia, Siegerin in 1:04:02 wurde RUTH CHEPNGETİCH ebenfalls aus Kenia (nur 12 Männer waren schneller als sie).
Am Folgetag stiess Barbara als unser Reisegast für die nächsten Wochen zu uns. Wir haben sie am Internationalen Flughafen (IST) in Istanbul mit offenen Armen empfangen.
Am Folgetag stiess Barbara als unser Reisegast für die nächsten Wochen zu uns. Wir haben sie am Internationalen Flughafen (IST) in Istanbul mit offenen Armen empfangen.
Nach 4 Wochen gemeinsamer Reise mit Barbara haben wir uns wehmütig von unserer temporären Reisebegleiterin am Flughafen in Kayseri getrennt. Dani chauffiert unsere Wohnung weiter in Richtung Ostanatolien. Heute ist der erste von 21 Tagen des neuen Lockdowns in der Türkei. Wir haben Glück, Touristen sind nicht oder fast nicht davon betroffen. Restaurantbesuche nicht möglich, Shoppen verboten, kein Alkoholverkauf während dieser Zeit. Der approximative Bier- und Weinverbrauch für drei Wochen ist schnell berechnet und kurze Zeit später eingekauft und in Barbaras freigewordenes Schubladenfach verstaut.
Der Mount Nemrut mit seinen monumentalen Statuen auf 2150m ist unser nächster Bestimmungsort. Es befindet sich auf dem Gipfel eine Kombination von Heiligtum und Grabstätte aus dem Jahre 69-36 BC. Die Anreise in diese gottverlassene Gegend war für uns mit dem Unimog, auf den mehr oder weniger gut ausgebauten Strassen, schon mühsam. Wie zum Teufel sind diese riesigen Statuen auf den Berg gekommen? Zudem befindet sich da eine ca. 45 Meter hohe Geröllaufschüttung, welche als Grabmal diente. Wer macht sowas? Der Rundgang um den Grabhügel ist nicht ganz ohne, denn es windet aussergewöhnlich stark, wir können uns teilweise kaum auf den Beinen halten und NEIN ich übertreibe nicht. Vielleicht hat’s die Statuen ja hochgewindet.
Mittlerweile sind wir nur noch ca. 4 Stunden von Aleppo entfernt. Seltsame Gefühle kommen hoch, wenn mal sich die Schlagzeilen aus Syrien der letzten Jahre vor Augen hält. Es ist aber alles sicher hier. Alle hier versichern uns, dass der Krieg zu Ende ist. Vereinzelte Schwertransporte mit Militärmaterial hinwärts ins Landesinnere, bestätigen diese Aussagen. Einzig die Polizei Checkpoints werden mehr, je näher wir uns zur syrischen Grenze bewegen. Wir dringen immer weiter in die von Kurden besiedelten Region vor und trinken, wenn sich ein trotz Lockdown offenes Restaurant findet, kurdischen Caffè aus Terpentin-Pistazien.
Wir weilen, wenn immer möglich in der Nähe eines Gewässers. Die Temperaturen steigen inzwischen nahezu auf 30 Grad. Die Bevölkerungsdichte hat stark abgenommen und wir sehen hier keine unverschleierten Frauen mehr. Auffallend ist, dass niemand einen Gesichtsschutz trägt. Uns gegenüber sind die Menschen sehr freundlich und wollen immer wissen woher wir kommen. Hie und da kommt auch jemand an unseren Stellplatz und bringt frischen Fisch vorbei. In Eski Katha verbinden wir die Besichtigung der römischen Brücke, der Höhlen und der Burg mit einer Wanderung. Wunderschön und einsam spazieren wir durch die Felder und Wiesen. Der Oleander beginnt zu blühen, die Farbenpracht der Blumen ist hinreissend und die Insekten umschwirren uns. Andere Touristen? Fehlanzeige!
Unser Kurs führte uns weiter an die syrische Grenze. Mittlerweile sind die Temperaturen auf über 30 Grad angestiegen und wir sehnen uns nach kühlem Nass. Kurzerhand verlassen wir die geteerte Strasse und holpern in Richtung Euphrat. Es scheint uns als gäbe es keinen Zugang zum Wasser und wir benötigen Hilfe. Umringt von Kindern und einigen Erwachsenen zeigen wir im nächsten Dörfchen mit rudernden Armen was wir machen wollen. Wir werden, wie oft, wie Ausserirdische beäugt. Google Translater funktioniert nicht ohne Internet und das fehlt hier gänzlich. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Einer der Einwohner zückt sein Nokia 2410 und wählt eine Nummer. Kurze Zeit später wird uns das antike Geräte übergeben und die Stimme am anderen Ende der Leitung erklärt uns in Englisch, wir sollen warten, er komme uns abholen. Einige Minuten später kommt tatsächlich ein Auto angebraust. Eco steigt aus, begrüsst uns herzlich und bittet uns ihm zu folgen. Wir fahren zu seiner Farm und Familie und werden unglaublich gastfreundlich empfangen.
Eco ist Biobauer und bearbeitet sein Land zusammen mit seiner Frau Fatma und den 3 Söhnen. Sie sprechen Zaza und gehören zu einer ethnischen Minderheit, ursprünglich stammen sie aus Armenien. Wir werden verwöhnt, ausgefragt, betrachtet und es wird gelacht, dazu gelernt und genossen. Wir bleiben zwei Tage und lassen die Seele baumeln. Kurzerhand wurden wir vom Enkel zu Tante (Amme) und Onkel (Apo) erkoren. Marlene fällt der Abschied schwer.
Wir informieren uns im Vorfeld immer über die neuen Stationen die wir anfahren, lassen uns dabei aber nicht von anderen Menschen beeinflussen. Wir möchten offen sein und uns unsere eigene Meinung bilden. Wir möchten unvoreingenommen auf Menschen zugehen und dem Unbekannten zuversichtlich und vertrauensvoll begegnen. Bisher haben wir uns auf unsere Intuition verlassen und so vieles positives erlebt und deshalb bleiben wir uns treu und machen so weiter. Wir glauben fest daran, dass wer Positives ausstrahlt auch Positives erleben darf. Im Vorfeld kamen einige kritische Stimmen aus unserem Umfeld wie «seit bloss vorsichtig in der Türkei» oder «wie könnt ihr nur in ein solches Land reisen». Wir können und werden es auch weiterhin tun ohne uns absichtlich in Notlagen zu bringen. Auch in Zukunft lassen wir uns weder durch Hautfarben, Grösse, Geschlecht oder Aussehen des Gegenübers beirren und Beurteilen den Menschen erst nach dem Kennenlernen.
Die Stadt Mardin, ein multiethnischer Grenzort liegt der am Tur Abdin, dem "Berg der Knechte", tief im Südosten der Türkei, nahe der syrischen Grenze liegend, ist unsere nächste Station. In der Stadt mischen sich seit Jahrhunderten verschiedene Kulturen und Religionen. Muslime wohnen Tür an Tür mit Christen. Neben Türkisch sprechen die Menschen hier Arabisch, Aramäisch und Kurdisch. Diese Vielfalt hat Mardin bekannt gemacht, auch ausserhalb der Türkei. Wir schlendern durch die Gassen der Altstadt schlürfen Cay und Pistazienkaffe und beobachten das lebhafte Treiben. Vom Krieg merkt man hier nichts mehr. Die Bevölkerung bestätigt unseren Eindruck, der Krieg ist vorbei und der normale Alltag ist wieder eingekehrt.
Es kommt wie es kommen muss und wir werden abermals zum Nachtessen eingeladen, was wir aber dankend ablehnen. Wir möchten gerne alleine sein und die Geschenke die wir heute Morgen, kaum wach, bekommen haben geniessen. Geschenke von Bauern die fast nichts haben und das Wenige, dass sie haben, noch mit uns Teilen. Gut, haben wir für solche Momente immer Kleinigkeiten für die Kinder dabei.
Den Blick lassen wir beim Essen ins Tal schweifen und wünschen uns, dass es den vom Krieg betroffen Menschen einigermassen gut geht, dass sie den Hunger stillen konnten und ein Dach über dem Kopf haben. Macht nachdenklich und wir sind dankbar für unser Leben.
Ob wir die antike Stadt Dara-Anastasiupolis ansehen muss gut überlegt sein, da sie 2km von der syrischen Grenze entfernt liegt. Da wir uns bisher wohl gefühlt haben möchten wir den Abstecher machen, was sich als Glückstreffer entpuppte. Früher war Dara eine wichtige spätantike oströmisch Festungsstadt in Nordmesopotanien und ihr Glanz ist heute noch ersichtlich.
Der Grenze entlang fahren wir weiter durch Kornfelder und wunderschöne Hügellandschaften in Richtung Van. Wir fahren durch ein sehr grünes Tal und entdecken am Fluss hübsche Teestuben. Die Tische stehen im Flüsschen inmitten von schattenspenden Bäumen. Die Füsse im Wasser baumeln lassen, Cay trinken, Krebse beobachten und Katzenbabys mit Baklava (ist ein türkisches Dessert und bedeutet auf Deutsch Blätterteigpastete) füttern. Der Plan für Heute wäre ein anderer gewesen, aber wie immer es kommt anders als man denkt bzw. plant.
Kaum den letzten Bissen des Abendessens runtergeschluckt hören wir Motorengeräusch. Wir stehen mittlerweile einsam am gestauten Tigris und sind gespannt wer da unsere Ruhe stört. Es sind Lisa und David aus dem Rheintal, die wir in Griechenland erstmals getroffen hatten. Wir freuen uns sehr über das spontane Treffen und tauschen unser Erlebtes untereinander aus.
So verbringen wir zusammen den kommen Tag relaxed am Wasser mit Fischen, einer Bootsfahrt, Kiten, Grillen, Essen und Nichts-tun. Seltsam ist allerdings, dass einige Einheimische hier aus Spass mit ihrer Schrottflinte ziellos ins Wasser schiessen. Wir haben den Grund nicht ermitteln können. Abends wird es wieder ganz still und gemütlich. Herrlich diese Ruhe.
Der Tigris wird an einigen Stellen zu riesig grossen künstlichen Stauseen gestaut. Die Menschen die früher in Hasankeyv am direkt am Ufer des Tigris gelebt haben, wurden zwangsumgesiedelt und die antike Stadt einfach geflutet. Unvorstellbar und unmenschlich was da passiert ist. Der Friedhof ist «niegelnagel» neu und dass Gebeine von Grosi und Opa unten im Tal wohl einfach geflutet.
Auf dem Weg zu unserem nächsten Schlafplatz haben wir die Fahrertüre am Unimog reparieren lassen. Sie liess sich seit einiger Zeit nicht mehr schliessen. Eine kleine Feder ist abgebrochen. Es ist Sonntag und der Mechaniker der kleinen Mercedes LKW-Werkstatt ist mit seinen Kumpels unterwegs. Nach ein paar Telefonanrufe von Chef fuhren die Jungs mit ihren Auto vor und nahmen sich der Türe an. 60 Minuten später war sie wieder voll funktionstüchtig. Sowas wäre in der Schweiz undenkbar. "Kommen sie am Montag wieder!"
Am späten Nachmittag kommen wir an einem Stellplatz an einem weiteren Stausee - in dieser Gegend hat es unzählige davon. Der Tigris wird an vielen Stellen gestaut um den riesigen Strombedarf der Türken zu decken. Wir sind beim Abendessen, da hören wir Motorengeräusche. Lisa und David aus St. Gallen fahren vor. Die beiden haben wir in Griechenland kennengelernt und waren via WhatsApp im losen Kontakt. Wir wussten, dass sie in der Nähe sind. Die Überraschung war trotzdem sehr gross. Wir verbrachten zwei wunderschöne Tage zusammen am See.
Unsere Reise geht wieder zu einem weiteren Nemrut Dağı, einem heute ruhenden Vulkan welcher bei Tatvan nahe am Vansee liegt. Er ist 3050 Meter hoch und war letztmals 1881 aktiv. Der Krater hat einen Durchmesser von 10 Kilometer. Der Nemrut Dağı ist nach dem sagenhaften König Nimrot benannt, wobei der armenische Name „Bergquell“ bedeutet und eher zutrifft. Es existiert eine Zugangsstrasse hinunter zum grossen Kratersee. Wir nehmen die Gelegenheit war, einen Krater von innen zu besichtigen. Hier soll es Bären und Wölfe geben haben wir von Faceli dem Wirt eines kleinen Cafés am Kratersee erfahren. Wir haben immerhin Schildkröten und Wasserschlangen gesehen die Bären blieben uns fern.
Die Fahrt auf den schmalen, unbefestigten Wegen im Krater ist nicht ganz ohne. Immer wieder rutscht der Hang an manchen Stellen ab. Wir sehen den weissen Laster schon von Weitem quer in der Strasse stehen. Beim Näherkommen sehen wir, dass das Hinterrad durch einen Hangrutsch beängstigend weit in die Tiefe zeigt. Der Unterboden des verlassenen Fahrzeugs liegt auf. Ein Weiterkommen ohne Hilfe ist unmöglich. Die Besatzung ist sicherlich am Hilfe holen, denn im Krater gibt es keine Handynetz.
Wir setzen zurück denn Wenden ist auf der schmalen Strasse unmöglich. Da sehen wir unten im Tal eine Feuerstelle und drei Männer die uns zuwinken. Die holten keine Hilfe, sondern veranstalten ein BBQ! Zuerst mal Essen & Trinken, der Rest ergibt sich – Inschallah. Und so kam es ja dann auch. Hero Dani kurvt den ganzen Weg rückwärts den Berg hoch und fährt von der anderen Seite zur Unglücksstelle. Nach dem Motto «Zuerst das Vergnügen, dann die Arbeit» wird zuerst am Feuer gegessen und getrunken – Tee natürlich. Nach der Bergung bedankten sich die drei Unglücksraben mit einem weiteren Gang Fleisch und Gemüse vom Grill. Wir können nicht mehr und sind dann froh, dass wir weiterfahren konnten. Ich werde langsam zu Moppe-lene.
Im äussersten Osten der Türkei, in den Provinzen Van und Bitlis an der Grenze zu Iran, liegt der Vansee. Sein Wasser ist stark alkalisch, da der einstige Abfluss durch den Vulkan Nemrut Dağı am Westufer vor etwa 1 Million Jahre versperrt wurde. Der See, der dadurch entstanden ist, misst heute 120 auf 80 km, ist 457 m tief und liegt auf etwa 1’700 Metern. Gespeist wird er von den Flüssen der umliegenden Berge. Zudem ist es der grösste Sodasee der Welt. Nach einem Bad bleibt eine seifige aber nicht unangenehme Lauge am Körper hängen, die sich nur schwer entfernen lässt.
In Van angekommen winken uns die Menschen zu und die Kinder hüpfen fröhlich um unser Auto. Für Kinder ist heute ein grosser Tag denn sie freuen sich besonders auf das Fastenbrechen denn es gibt Süssigkeiten und Geschenke. Heute wird «Eid Mubarak» gefeiert, was so viel bedeutet wie "fröhliches Fest" – so lautet der arabische Gruss, mit dem sich Muslime in diesen Tagen zum erfolgreichen Fasten gratulieren. Der Fastenmonat Ramadan ist zu Ende.
Am Strassenrand halten wir kurz an, damit wir am Bankomat Lira beziehen können. Zurück beim Auto haben wir nebst Geld auch eine Einladung zum Essen. Wir werden von Kamuran, seiner Mutter, Frau und den vier Kindern herzlich begrüsst. Einmal mehr erfahren wir die bedingungslose Gastfreundschaft der Einwohner hier. Wir verabschieden uns mit erneut gefüllten Bäuchen von der Familie und deren Gastlichkeit in Van. Abends übernachten wir in der Nähe an einem herrlichen Ort mit Wasserfall und viel Grünfläche. Die Grenze zum Iran ist in greifbarer Nähe aber die Schlagbäume bleiben geschlossen – der Grund kennt ihr ja.
Wir verabreden uns für Morgen nochmals mit Kamuran in Erciş zum jährlichen Fischfestival. Die News haben wir sofort an Lisa und David weitergeleitet welche spontan dazustossen. Erciş ist eine Stadtgemeinde im Gebiet von Van. Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Kurden, zuvor bestand sie bis zum Völkermord von 1915 mehrheitlich aus Armeniern. Das Fischfestival findet in einem eingezäunten Bereich an einem Zufluss des Lake Van statt. Dort kann man bei den Stromschnellen gut beobachte wir der hier endemische Fisch (Karpfen) wie der Lachs zu seinem Geburtsort hochschwimmt um sich dort zu paaren und so die nächste Generation sicherstellt. Wegen der Pandemie ist aber die Veranstaltung abgesagt. Nur dank Kamurans Hartnäckigkeit lassen uns die Sicherheitsleute für eine paar Minuten aufs Areal.
Wir werden Zeugen eines spannendem aber gleichzeitig auch traurigen Spektakels. Der Fischstrom versucht sich springend über Stromschnellen und Hindernisse hoch zu bewegen. Die Wasseroberfläche ist eine zappelnde, bewegliche Decke von Fischen über etliche Meter lang. Die am Rand liegenden unzähligen tote oder halbtote Fische sind eine leichte Beute für die unzähligen Möwen. Survival of the fittest!
Wir haben für heute keine Pläne mehr und gondeln los und suchen uns ein ruhiges Schlafplätzchen. Auf der Fahrt entlang dem Vansee entdecken wir einen kleinen türkis schimmernden See der sehr einladend aussieht. Wir verlassen die Hauptstrasse und landen geradewegs in einer Kontrolle der Jandarma. Die Jandarma hat auf dem Land Polizeiaufgaben und ist paramilitärisch organisiert und können im Ernstfall militärische Aufgaben übernehmen. Pass zeigen, kennen wir schon und die üblichen Fragen von, woher kommt ihr, wohin wollt ihr, sind wir auch gewohnt. Wir erklären, dass wir für eine Nacht an den See möchten. Sie raten uns, wir sollen doch der Hauptstrasse weiter folgen und dort ein Platz suchen. Die Bürger (ein kleines Dörfchen am Seeufer) könnte das irritieren wenn wir am See nächtigen.
Wir nicken und erklären das wir problemlos wenden können. Das ist ihnen dann aber doch nicht recht und sie kontaktieren telefonisch ihren Vorgesetzten. Wir steigen aus, warten und unterhalten uns so gut es halt geht. Nach einigen Minuten kommt der Chef in Begleitung seines Teams angefahren und bewilligt uns, eine Nacht am See. Er möchte, dass wir noch die Nummern austauschen, damit wir ihn bei Problemen kontaktieren können. Kaum den Motor gestartet werden wir gebeten zu warten, denn wir fahren im Konvoi durchs Dorf. Vor uns ein Panzerfahrzeug und hinter uns ein Kastenwagen mit Blaulicht. Eine Eskorte wie für einen Stabschef. Die Menschen winken uns zu als wären wir irgendwelche VIPs. Wir können es kaum glauben. Surreal und wie im Film. Es wird uns ein Platz am See zugewiesen mit dem Hinweis nicht weiter zu fahren, da das Ufer sehr morastig ist und wir sonst mit unserem Fahrzeug einsinken könnten. Verstanden! Bevor die Truppe abrückt werden noch ein paar Fotos geschossen.
Kaum sind sie weg meint Marlene nur so, sie kommen abends bestimmt nochmals vorbei. Tatsächlich kommt am Abend der Chef erneut mit seiner Entourage und bring uns Schokolade mit. Würden wir die Geschichte lesen hätten wir das Gefühl das ist doch sicher übertreiben. Nein ihr Lieben, ist es nicht. Ist uns wirklich so passiert.
Der verordnete Lockdown sieht vor, dass Museen und Paläste/Burgen geschlossen sind, so auch der Ishak-Pascha-Palast in Dogubeyazit, welchen wir gerne besichtigt hätten. Der liebenswerte und redselige Murat den wir oben am Berg kennenlernen, kontaktiert die richtigen Personen und schon sind wir im Innern des Gebäudes. Unglaubliche Dimensionen hat dieser auf einem Vorsprung gelegene Palast. Die ungewöhnliche Architektur des Palastes vereint Einflüsse 500 Jahre alter seldschuker Moscheen, armenischen Kirchen und dem zeitgenössischen osmanisch Stil. Sein Planungsprinzip folgt der Gliederung des Topkapi-Palast in Istanbul.
Wir haben uns spontan entschlossen den Mt. Ararat zu besteigen. Siehe dazu separaten Blog.
Zur Erholung nach den letzten Tagen gönnen wir uns in Diyadin, ein Ort der bekannt ist für seine Hot Springs, ein Schwefelbad. Wir bekommen ein eigenes kleines Häuschen mit einem Weisswasser-Pool darin. Für umgerechnet 4.- € können wir die Räumlichkeiten eine Stunde lang nutzen und unsere Gelenke und Muskeln im heissen Wasser regenerieren lassen. Mit roten Köpfen und recht müde verlassen wir den Ort und machen uns auf den Weg in Richtung Balik gölü (Fischsee).
Die Gegend ist herrlich und wir sehen deutlich mehr Schafe und Kühe als Menschen. Die kleinen Dörfchen wirken ärmlich doch die Menschen winken uns fröhlich zu. Die sehr vielen Kinder jubeln uns schon von weitem zu. Die Familien auf dem Lande haben so unvorstellbar viele Kinder und etliche werden wohl nur kurz die Schule besuchen um danach die Schaf- bzw. Kuhherden zu hüten. Auf unseren Fahrten begegnen wir verhüllten wie nun auch wieder unverhüllten Frauen und sehen auch mal Teenager die verliebt Hand in Hand am Strassenrand entlanglaufen. Wir lernen die Moderne sowie die traditionelle Türkei kennen und jeden Tag verlieben wir uns mehr in dieses Land.
Wir entscheiden uns jeden Tag aktiv dafür, den Tag zu geniessen, anderen Menschen denen wir begegnen, offen entgegen zu treten, ihre Ansichten über die Welt zu reflektieren und zu filtern. Über politische Themen äussern wir uns nicht, hören aber zu und machen uns still unsere Gedanken.
Beim Besuch der ehemaligen armenischen Hauptstadt Ani, welche seit dem 5. Jahrhundert als armenische Festung nachweisbar ist, geht uns so etliches durch den Kopf. Mittlerweile ist es eine seit mehr als drei Jahrhunderten verlassene und heute in Ruinen liegende Geisterstadt. Die Weiterfahrt über Kars, eine noch sehr ursprüngliche türkische Stadt, hat sich gelohnt. Wir konnten türkische lokale Produkte probieren und kaufen. Honig und Käse kennen wir alle aber ich habe noch fermentiertes lokales Gemüse mit diversen Kräutern versetzt, gekauft welche lecker aber eigentümlich schmeckt. Die nächsten Tage verbringen wir am Cildirsee mit Isa und Mathäs aus Belgien. Leckeres Essen, gute, spannende Gespräche und Kartenspiele füllen die Tage.
Heute erfahren wir über unser Overlander Netzwerk, dass Georgien am 01.06. seine Grenzen auf dem Landweg öffnet. Nach einer schlaflosen Nacht ist die Entscheidung gefällt und wir schieben noch einige Wochen Georgen zwischen die Reise zurück nach Europa. Wir planen, im Winter kurz in die Schweiz zu kommen. Wir müssen in Deutschland die Mängel an unserem Gefährt bei der Firma Wölke beheben lassen. Wir können mit den defekten Solarpaneels nicht um die Welt. So ist es mal geplant aber wie ihr wisst kommt es oft doch anders.
Auf dem Weg zur Grenze sehen wir hoch oben eine Burgruine und wir beschliessen spontan diese zu besichtigen. Wir haben ja Zeit. Die Zufahrtsstrasse ist eine Herausforderung. Dani zeigt mir souverän die Spur an und ich manövriere eben so gekonnt durch die engen Stellen. Wir sind ein gutes Team, muss doch an dieser Stelle einfach mal geschrieben werden.
Der PCR-Test ist gemacht und wir überbrücken die 24h Wartezeit mit Wandern. Dazu verlassen wir die Küste und schütteln und rütteln uns in die Berge. Hier ein Nachtlager zu finden stellt sich als eine kleine Herausforderung heraus. So stellen wir unser Auto in eine Nische und lassen das Aussenlicht brennen. Wir finden keinen Schlaf denn es steht dauernd jemand vor unserer Tür und möchte wissen wer wir sind. Um 23.00 kommt dann auch noch die Jandarma und bittet uns ihnen nachzufahren. Ok, alles versorgen, Schränke verriegeln, Pyjama ausziehen und raus in die Führerkabine. Der Platz den sie uns zuweisen ist viel besser und wir bedanken uns herzlich und kamen so doch noch zu unserem Schönheitsschlaf. Die Wanderung durch die Teeplantagen hoch zu einem Wasserfall einfach nur herrlich. Alle Nuancen von Grün und unglaublich viele blühende Rhododendren lassen unsere herzen hüpfen. Der Höhepunkt waren die zutraulichen fast aufdringlichen Geissen die uns einen Teil des Weges begleitet haben.
Morgen geht's über die Grenze nach Georgien.
Danke, dass du bis zu Ende gelesen hast. Wir freuen uns immer wieder über einen Feedback von euch. Lass es uns wissen, was ihr denkt und macht uns Vorschläge, über welche Themen wir berichten sollen.