Blog #28a, Marlene (Juli 2023, Nordwest-Indien Teil I)
Indien zählt zu den ältesten Zivilisationen der Welt und ist ein einzigartiger Schmelztiegel multiethnischer Erfahrungen. Sein kostbares geschichtliches und religiöses Erbe und die Vielzahl an Attraktionen machen das Land zu einem Top-Reiseziel. Auf einer Fläche von etwa 3,3 Millionen Quadratkilometern – ungefähr das 80-fache der Schweiz – erstreckt es sich von den verschneiten Himalaya-Gipfeln bis hin zu den tropischen Regenwäldern im Süden. Als siebtgrösstes Land der Welt zeichnet sich Indien durch seine markanten Gebirge und Meeresküsten aus, die dem Land eine einzigartige geographische Identität verleihen. Der Norden wird vom Himalaya begrenzt, dann weitet sich das Land nach Süden hin aus und mündet im Indischen Ozean, eingerahmt von der Bucht von Bengalen im Osten und dem Arabischen Meer im Westen, am Wendekreis des Krebses. In Indien werden viele Religionen pflichtbewusst und zumeist in Frieden praktiziert, und die kulinarischen Angebote variieren stark je nach Region – während der Norden hauptsächlich vegetarisch geprägt ist, bevorzugt der Süden Fleischgerichte.
Der Kangchendzönga ragt als höchster Gipfel Indiens und zugleich als der dritthöchste Berg der Erde mit 8586 Metern empor. Die Hauptstadt des Landes ist Neu-Delhi. Seit dem Jahr 2014 hat Narendra Modi das Amt des Premierministers inne. Mit einer Bevölkerung von 1,408 Milliarden Menschen übertrumpft Indien sogar China.
Ungefähr 40 Millionen Strassenhunde bevölkern Indiens Städte und Dörfer. Ärztliche Schätzungen gehen davon aus, dass es jährlich über 17 Millionen Hundebisse gibt. Rund 20.000 Menschen verlieren jedes Jahr ihr Leben an Tollwut. Da wir nicht gegen Tollwut geimpft sind, führen wir vorsorglich Impfstoff mit, denn die erste Dosis muss innerhalb weniger Stunden nach einem eventuellen Biss verabreicht werden, um eine tödliche Infektion zu verhindern. Aufgrund der enormen Ausdehnung des Landes kann die Erreichbarkeit eines Krankenhauses mehrere Stunden in Anspruch nehmen.
Für mich wird mit dieser Reise ein langgehegter Traum wahr. Werde ich mein persönliches Shangri-La entdecken können?
Ich beabsichtige, innere Ruhe zu erlangen, Ausgeglichenheit und Harmonie zu finden sowie meine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Dazu wollen wir ausgewogen speisen und hoffen auf erholsamen Schlaf, um unser Garant für Wohlbefinden abzurunden. Unser Ziel ist es, in Indien unser Yoga-Praktik zu vertiefen und ayurvedische Kuren zu erleben, unseren Geist zu erweitern und die Gesundheit zu stärken. Wir planen, in die Mystik der Götter einzutauchen, die Vielfalt der Geschmäcker und Farben zu geniessen und die Schönheit des Landes auf uns wirken zu lassen.
Zweifellos werden wir dort auch mit der weit verbreiteten Armut, Überbevölkerung, Verschmutzung und Ungerechtigkeit konfrontiert werden. Ob wir das Abenteuer Indien am Ende lieben oder hassen werden, bleibt abzuwarten. Wir sind uns jedoch bewusst, dass eine Anpassung an dieses Land notwendig sein wird. Der grosse und unbekannte Subkontinent wird uns herausfordern, und es ist wahrscheinlich, dass wir dabei an unsere Grenzen stossen. Mein Bestreben ist es, auf meiner persönlichen spirituellen Reise zu wachsen und die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Indien, wir kommen mit Freude, aber auch mit einem Gefühl der Ungewissheit. Du bist unvertraut, übervölkert und unfassbar ausgedehnt, doch ich möchte deine vielen Wunder mit eigenen Augen sehen.
Das Leben kann eine kurze oder lange Reise sein. Während die einen ihr Leben lang nur einem einzigen Kampf gegenüberstehen, ist das Dasein für andere von Leichtigkeit geprägt. Jeder muss seinen eigenen Pfad finden, ihn beschreiten und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste aus seinem Leben machen.
Jene Fähigkeit, zu betrachten ohne zu urteilen, sah der indische Philosoph und Geistige Mentor Jiddu Krishnamurti als die ultimative Stufe menschlicher Intelligenz an. Hiervon befinde ich mich allerdings in beträchtlicher Entfernung. Gleichwohl ist es mein Bestreben, mich schrittweise dieser Kunst zu nähern.
Die Ankunft in Indien gestaltet sich unkompliziert charmant und ist binnen einer knappen Zweistundenfrist vollzogen. Nach Durchquerung des offenen Tores Pakistans erreichen wir sogleich das indische Pendant. Im Unimog durchfahren wir jenen gerade verwaisten Zuschauerarena, welche mit seinen stufenartig arrangierten Sitzgelegenheiten aufwartet. Allabendlich, zur Zeit der Grenzschliessung, finden hier Pakistan und Indien im Flaggenaustausch statt – ein eindrucksvolles Ereignis, das wir uns keinesfalls entgehen lassen wollen, zieht es doch Abend für Abend tausende Schaulustige an.
Unser Weg führt uns zunächst nach Amritsar, eine Millionenmetropole, nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt. Dort stossen wir, in Nachbarschaft zu einem Royal Enfield Shop, auf einen passenden Platz für die Nachtruhe. Einen Kontakt von Adeel, unserem pakistanischen Freund, führt den Motorradladen.
Geplant ist, eines der berühmt-berüchtigten indischen Motorräder zu leihen und damit zur Zeremonie an die Grenze zurückzukehren. Der Geschäftsführer ist vorab in Kenntnis gesetzt und bereitet alle nötigen Papiere vor. Kurze Zeit später sind wir mit Helm und Schlüssel bewaffnet und nehmen auf dem beeindruckend knatternden Motorrad Platz. Welch ein Erlebnis, gleich nach der Ankunft in Indien mit so einem Bike die Freiheit zu spüren.
Seit dem Jahr 1959 wird an der Wagah-Grenze die beeindruckende Zeremonie täglich vollzogen. Organisiert von den Grenzschutzbehörden beider Länder – sogar die Grenzhunde sind mit von der Partie – werden akribisch einstudierte und körperlich fordernde Choreografien zu Seiten der Grenze vorgeführt. Die Atmosphäre ähnelt der in Fussballstadien, angeheizt durch die begeisterten Rufe des Publikums.
Die Soldaten mit ihren imposanten Schnurrbärten betreten das Gelände, heben ihre Beine bei jedem Schritt möglichst hoch und erinnern mit ihren speziellen, mit grossen roten Federn geschmückten Hüten an Pfauen oder Mohikaner. Obschon das Ganze einen stark nationalistischen Anstrich hat und den Konflikt der Nationen widerspiegelt, wirkt es durch die abgestimmte Darbietung auch verbindend und legt die Parallelen der Völker offen. Das Schauspiel gipfelt im Absenken der nationalen Flaggen und einem Handschlag zwischen indischen und pakistanischen Soldaten – exakt dort, wo wir Stunden zuvor eingefahren sind.
Ein unwiderstehliches Schauspiel und ein unvergleichlicher Empfang! Für uns jedoch zugleich zu viel Pomp und Pracht bei ohrenbetäubendem Lärm. Ausserdem finden wir uns, abgeschieden von den einheimischen Zuschauern und trotz vortrefflicher Position, zusammen mit anderen Touristen auf Kunststoffstühlen wieder. Sind wir etwa alt geworden oder empfinden es nur so?
Mit der Menge strömen wir zum Ausgang, und es fühlt sich an, als würden wir ein Konzert verlassen.
Wir kehren entspannt bei Sonnenuntergang zurück nach Amritsar und stellen unser Gefährt vor dem Laden ab, um danach in eine Rikscha zu steigen. Die Dunkelheit hat sich bereits über die Stadt gelegt, und wir begeben uns zum Goldenen Tempel, der auch Harmandir Sahib genannt wird, das Allerheiligste der Sikh. Umgeben von einem künstlich angelegten, heiligen See thront der mit Blattgold bedeckte Tempel inmitten einer prächtigen Palastanlage, die an jeder ihrer vier Seiten ein Tor besitzt. Diese Architektur symbolisiert die Aufgeschlossenheit der Sikhs gegenüber allen Menschen und Glaubensrichtungen. Es ist ein Ort voller Mystik, der zahlreiche Pilger aus aller Welt anzieht und als Geburtsstätte der Sikh-Religion zählt.
Auf der globalen Bühne ist die Glaubensgemeinschaft als Sikhismus bekannt und hat etwa 27 Millionen Anhängerinnen und Anhänger. Nach dem Glauben der Sikhs sind alle Menschen gleich, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion – so wie es sein soll. Die Sikhs erkennt man an ihrem traditionellen Turban, der aus bis zu sieben Metern Stoff um den Kopf gewickelt wird und das nie geschnittene Haar schützt, was die Ehrfurcht vor der Schöpfung Gottes ausdrückt. Die vorherrschende Farbe Orange auf den Köpfen symbolisiert Weisheit.
Wir sind nicht allein mit unserem Vorhaben, den Tempel zu besichtigen, doch halten sich Touristen in Grenzen. Die Mehrzahl der Wartenden sind gläubige Pilger. Geduldig verharren wir in der Reihe der singenden, betenden und knienden Gläubigen. Im Inneren des Tempels herrscht eine gut organisierte Atmosphäre ohne Drängeln und Schieben. Die Düfte, Klänge und Farben der Anwesenden wirken exotisch auf uns. Wir bewundern die Zeremonie, empfangen Segen und Süssigkeiten und begeben uns dann geordnet Richtung Ausgang.
Im Unterschied zum Hinduismus erkennen die Sikhs die Wichtigkeit materieller Bedürfnisse an und lehnen Askese ab. Sie sehen ehrliche Arbeit als einzigen Weg zur Erlösung. So konnten wir miterleben, wie das Innere des Tempels mit Milch gesäubert wird. Durch die Proklamation des Staates Khalistan durch radikale Sikhs gelangte der Tempel im Jahre 1984 in die Schlagzeilen. Indische Armeeangehörige stürmten den Tempel bei einer Operation, die den Namen 'Blue Star' trug. Als Reaktion auf die Einnahme des Heiligtums, bei der der Sikh-Führer zu Tode kam, wurde die indische Premierministerin Indira Gandhi von ihren Sikh-Leibwächtern ermordet.
Nach einem äusserst delikaten und würzigen, doch sehr späten Abendmahl sinken wir erschöpft in unsere Betten. Von Amritsar aus machen wir uns auf den Weg in das Gebiet von Kaschmir, erreichen heute jedoch nicht unser Ziel, da der Monsun Indien vollständig im Griff hat. Der Manali Highway, eine der Hauptverkehrsadern Richtung Norden, wurde gänzlich zerstört. Eine alternative Route über Srinagar im Westen ist trotz zahlreicher Umwege befahrbar. Infolgedessen wird der gesamte Verkehr nun über diese provisorisch reparierte Strecke umgeleitet.
Dennoch sind wir froh, dass wir die Reise in den Norden antreten können, auch wenn der Aufwand beachtlich ist. Zusätzliche Schwierigkeiten bereiten die vielen Pilger, die sich auf dem Weg in den Norden befinden - sei es mit dem LKW, dem Traktor, dem Fahrrad oder zu Fuss. Durch die Zerstörung einzelner Brücken werden Umleitungen über schmale, ländliche Strassen notwendig. Zwei grosse Lastkraftwagen können auf diesen Strassen nicht aneinander vorbeifahren. Die indischen Fahrer versuchen sich an den engsten Stellen durchzuschlängeln, bis nichts mehr geht. Rückwärtsfahren? Unmöglich, wenn sich hinter dem Lastwagen bereits eine Autoschlange gebildet hat. Dann herrscht minutenlang Stillstand. Alle warten in der Hoffnung, dass sich die Blockade wie durch ein Wunder auflöst.
Oft eilen Dorfbewohner oder Verkehrsteilnehmer herbei, um den Verkehr zu dirigieren und den Stau zu lösen. Infolge solcher Umstände verharren wir stundenlang im Verkehrsstau. Nicht selten kommt es vor, dass sich Fahrzeuge auf den engen Strassen an der wartenden Kolonne vorbeidrängen und den entgegenkommenden Verkehr behindern. Eine Praxis, die in der Schweiz undenkbar wäre. Es wird dann ununterbrochen gehupt, bis letztlich jemand aussteigt, um das Verkehrschaos und die verkeilten Fahrzeuge erneut zu entwirren.
Bundesstaat: Jammu & Kashmir
Der folgende Tag gleicht verkehrstechnisch dem ersten wie ein Zwilling. Es ist ein langer Tag und wir haben nur wenig Strecke zurückgelegt. Die Dämmerung setzt ein, während unser Zielort Aru noch 12 Kilometer entfernt liegt. Das Fahren bei Dunkelheit ist uns zuwider. Das Aru-Tal erstreckt sich in Kaschmir, einer Region im Himalaya-Gebirge, an der Grenze zu Afghanistan. Die kaschmirische Bevölkerung ist hinsichtlich der religiösen und sprachlichen Vielfalt sehr divers. In der Nähe Afghanistans befindlich, betrachtet die indische Regierung Kaschmir als Risikogebiet. Die Hauptstrasse wird militärisch gesichert; alle 50 Meter stehen Soldaten mit Helm, schusssicherer Weste und automatischen Waffen. Zahllose Militärbauten und Kontrollpunkte prägen das Bild, aber wir dürfen ohne Aufhalten passieren und werden überall durchgewinkt.
Die Passage führt uns durch Pahalgam, von wo aus Jahr für Jahr Tausende von Pilgern zur Shiva-Höhle, auch Amarnath Yatra genannt, aufbrechen. Die Hindus verehren sie als Pilgerstätte im nordindischen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir, die auf 3882 Metern Höhe liegt und zu Fuss von den Orten Batal und Pahalgam aus erreichbar ist. Im Basislager bereiten sich die Gläubigen auf die Nachtruhe vor, um von hier aus in 2 bis 3 Tagen die etwa 40 Kilometer zur Shiva-Höhle zurückzulegen.
Erschöpft erreichen wir Aru. Ein einheimischer Führer weist uns einen grossen, stillen Parkplatz zu. Dieser ist der perfekte Ort und Ausgangspunkt für die geplante Wanderung am nächsten Morgen.
Wir brechen in der Früh auf und nehmen vorsorglich die Regenjacken mit, die wir aus den untersten Schichten unserer Kisten hervorholen mussten. Eine beeindruckend grüne Landschaft breitet sich vor uns aus, mit frischer Luft und grünen Matten, soweit das Auge reicht. Nach vielen Regengüssen präsentiert sich der Weg matschig und rutschig, sodass wir froh über die mitgebrachten Wanderstöcke sind.
Auf der Wanderung stellen sich Heimatgefühle ein. Flora und Fauna erinnern stark an die Schweiz, man könnte sich genauso gut im Engadin wähnen - wäre da nicht das garstige Wetter. Dunkle Wolken ziehen ins Tal und es beginnt zu nieseln. Nach langer Zeit kommen nun die Regenjacken zum Einsatz. Wir beschleunigen unseren Schritt, um rasch zum Fahrzeug zurückzukehren. Der Rückweg gestaltet sich ebenso glitschig, und gelegentlich rutschen wir aus, was mit einem Landen auf dem Hosenboden endet.
Letztlich gelangen wir unversehrt zum Auto zurück und befreien uns schleunigst von den durchnässten und matschbesprenkelten Kleidern. Nun gibt es nur noch eines, um die Stimmung zu heben: Eine Tasse heissen Tee.
In Srinagar, dem Ort unseres nächsten Aufenthalts, haben wir die Möglichkeit, unseren Unimog auf einem Hotelparkplatz abzustellen. Das Hotel befindet sich in erhöhter Lage und bietet eine ausgezeichnete Aussicht über die Stadt. Angesichts eines nahezu leeren Kühlschranks beschliessen wir, das Frühstücksangebot des Hotels zu nutzen.
Vom Hotel aus startet ein Wanderpfad, der uns direkt auf einen Berggipfel zu einem hinduistischen Heiligtum führt. Nach unserer Ankunft am Gipfel nehmen wir, gemeinsam mit zahlreichen Gläubigen, den Segen entgegen. Mit einem roten Punkt auf der Stirn kehren wir in die Stadt zurück, um in einem Supermarkt in der Nähe unsere Vorräte aufzufüllen. Die schweren Plastiktüten tragend, machen wir uns auf den langen Rückweg zum Hotel quer durch die Stadt. Im Unterschied zur Schweiz sind wir hier dankbar für die reichliche Ausgabe von Plastiktüten, die wir an unserer Tür aufhängen und als Müllsäcke nutzen.
Nachdem wir den Kühlschrank aufgefüllt haben, setzen wir unsere Fahrt entlang des Sees fort und verlassen Srinagar in Richtung Leh/Ladakh. Überraschenderweise war es in dem dicht besiedelten Indien bisher kein Problem, einen ruhigen Platz für die Nacht zu finden. Dies gilt auch für die bevorstehende Nacht. Im Norden gibt es viel Raum und die Bevölkerungsdichte ist verhältnismässig gering – eine Tatsache, die sich weiter südlich ändern wird.
Um sechs Uhr sind wir heute bereits wieder auf den Beinen. Leh ruft, ich höre es ganz deutlich. Die Fahrt ist umwerfend schön. Wir verlassen die üppige grüne Landschaft des Kaschmirs und tauchen in Ladakh in eine karge Berglandschaft ein. Ladakh ist weitgehend hochgebirgig und mit 274'000 Einwohnern nur dünn besiedelt. Bekannt ist die Region für die Schönheit seiner entlegenen Berge und die tibetisch-buddhistische Kultur, daher wird es auch als Klein-Tibet bezeichnet. Ladakh ist ein sehr trockenes Gebiet (vergleichbar mit der Sahara), da die Hauptkette des Himalaya verhindert, dass die indischen Sommermonsune bis nach Ladakh durchdringen. Wir haben uns auch deshalb entschieden unsere Indien Reise hier zu starten, weil es im Süden zurzeit kräftig regnet.
Dani muss hochkonzentriert die Pässe überqueren einige Mal voll in die Eisen treten, weil wieder so ein Affe auf unsere Strassenseite fährt oder gar in der Kurve überholt. Schadlos kommen wir beim Mulbek Tempel an. In dieser Ortschaft steht ein tibetisch-buddhistischer Tempel mit einer in den Felsen geschlagene Grand Maitreya Buddha-Statue. Der universelle Buddha der Zukunft. Wir werden von einem jungen Mönch begrüsst. Mein erstes Namaste.
Die Schuhe, wie schon zuvor in den Moscheen, ziehen wir vor der Treppe ab und ehrfürchtig begeben wir uns ins innere des Tempels. Es hängt ein schwerer Geruch von Räucherstäbchen in der Luft und aus den Boxen, der Fortschritt ist auch hier angekommen, erklingen buddhistische Mantras. Da stehe ich nun. In Lucas alter blauer übergrossen Pfadi-Regenjacke und es überkommt mich eine tiefe innere Ruhe. Es summt und vibriert in meinem Körper und ich empfinde nichts ausser grosses Glück. Es fühlt sich an wie angekommen zu sein.
War ich schon mal hier, früher irgendwann Mal? Die Knie versagen und ich hocke mich auf den Holzboden. Emotionen überkommen mich in diesem Augenblick, die Tränen kullern die Wangen hinunter. Schon seit einigen Jahren suche ich nach meiner Spiritualität. Ein grosses Wort, man kann es Glauben, Universum oder wie auch immer nennen. Ich fühle eine innere Ruhe und bin einfach gerade überfordert.
Ich bin in Indien, in einem tibetischen Tempel zusammen mit meinem Liebsten. Ich versuche meine Gefühle zusammen zu fassen. Ich bin überwältigt, erschöpft, angekommen und fühle mich zuhause. Ich lasse die Emotionen zu und warte bis sich mein Geist etwas beruhigt. Zurück im Auto weint es unkontrolliert weiter und ich schluchze aufgelöst vor mich hin. Es fühlt sich alles so richtig an und ich fühle, ich bin auf dem richtigen Weg, angekommen? Es wird sich zeigen.
Die Sonne bahnt sich einen Weg durch die Regenwolken. Die Landschaft erscheint dadurch noch viel schöner und wir versuchen die wunderbaren Momente und Schattierungen mit der Kamera einzufangen.
Schon von weitem erblicken wir den tibetischen Lamayuru Tempel. Vor dem Parkplatz passieren wir einen TATA (indische Automarke) Lastwagen der mit den linken Rädern in den Wassergrabengefahren ist und gegen die Felswand umgekippt ist. Ein Affe weniger auf der Strasse.
Im Gegensatz zum Islam, dürfen wir hier alles gemeinsam besichtigen. Es gibt keine abgesperrten Zonen für Frauen oder Nicht-Gläubige. So schlendern wir Hand in Hand hoch zur Tempelanlage dabei kreuzen wir einen Mönch in seiner traditionellen orangen Kleidung, der einen Jeep steuert und uns mit einem riesengrossen breiten Lachen begrüsst.
Auf dem Weg hoch auf den Hügel sind reihenweise farbige Gebetsmühlen in Gruppen angeordnet. Auf den Mühlen sind Gebete, die wir nicht lesen können, eingraviert. Gebetsmühlen sind wie Gebetsautomaten die man im Uhrzeigersinn (wichtig!) dreht und so das Gebet ohne Worte in den Wind getragen wird. Wenn sich die Mühle einmal um die Achse gedreht hat, klingelt eine Glocke. Im tibetischen Buddhismus werden Gebetsmühlen gedreht, um körperliche Aktivität und geistig-spirituelle Inhalte miteinander zu verknüpfen. Eine Gebetsmühle, auch Mani-Mühle oder Mani-Rad, ist ein Rad oder eine Walze, die auf einer Papierrolle aufgedruckte Gebete oder Mantras enthält oder aussen mit solchen verziert ist.
Leider dürfen wir keine Fotos im Innern des wunderschönen alten Holztempels schiessen. Dani und ich betreten gemeinsam mit einem älteren Mönch die heiligen Räume. Der Tempel besteht aus 2 Räumen, welche bunt geschmückt sind. Von den buntbemalten Wänden blicken unterschiedlichste Götter, Buddhas und Gestalten auf uns. Die satten Hauptfarben sind grün, rot, gelb, blau und weiss. Die Glasvitrinen sind wie auch die Wände mit Statuen von Göttern und Buddhas vollgestopft. In unendlichen vielen Boxen lagern sie Ihre heiligen Schriften. Die Holzsäulen sind mit Stoffbahren bunt umwickelt und es hängen Geschenke von Besuchern unter anderem Haarspangen, Armbänder oder Geldscheine an den Stoffen. Auch wir lassen unsere Geschenke am Stoff baumeln.
Der Mönch sitzt im Schneidersitz in seinem «Thron» und beginnt mit seinen rhythmischen Gebeten. Die Schriften liegen abgenutzt aber ordentlich vor ihm. Im Einklang zu seinem Gesang schlägt er mit einem gekrümmten Drahtschläger, dem am Ende ein Filzstück aufgesetzt ist, auf seine Trommel. Das Trommeln unterbricht er hie und da und ersetzt den Schläger durch eine zierliche Glocke (Ghanta), welche er in der linken Hand hält. Die Ghanta vertreibt alle Laster, schützt und segnet uns und ist ein Zeichen für Weisheit. In der rechten Hand hält er eine Art verzierte Acht (Dorje). Mit dieser umkreist er die Glocke immer wieder.
Dort wo der Pompon aufschlägt ist die Tierhaut der Trommel schwarz und abgenutzt. Wie oft hat er wohl da schon draufgehauen? Nach jedem Gebet lässt er die goldenen Tschinellen aufklingen. Die Schläge sind mal langsamer, mal schneller. Wir werden mit einer Handgeste eingeladen uns zusetzen. Auf einem breiten Holzsockel befindet sich ein bunter dicker Teppich auf den wir uns setzen. Im Schneidersitz beobachten wir über längere Zeit seine Gesten seine Mimik und hören andächtig zu. Vor uns steht ein leuchtend rotes Bänkli. Während der ganzen Zeremonie flackert das dezente Licht wohl wegen Stromschwankungen.
Der Raum ist dezent beleuchtet und nur ein Fenster lässt etwas Tageslicht eindringen. Im Licht kräuselt sich der Rauch der Räucherstäbchen und ausser den Trommelschlägen und seinen gemurmelten Versen dringt kein Laut von aussen in den Tempel. Und ja, die Tränen rollen wieder und eine eigenartige Stimmung entsteht in meinem Innern. Wir verlassen leise den Raum und treten nur zaghaft auf den knarrenden Holzboden auf.
Wieder im Hellen umkreisen wir im Uhrzeigersinn die Aussentempelanlage und drehen die vielen kleinen Gebetsmühlen. Der Klang auf der Trommel ist gut zu hören und begleitet uns noch etwas auf dem Rundgang.
Dani sitzt mir gerade gegenüber und auch er ist von dieser eigenartigen Stimmung erfasst worden und tief beeindruckt. Er hat im Vorfeld Dokumentationen über die Region Ladakh gesehen und ist mit einer gewissen Vorahnung/Vorstellung hierhergekommen. Ich habe versucht im Vorfeld keine Fotos, Reisebericht oder ähnliches zu lesen und mich ganz unbelastet darauf einzulassen. Das einzige was ich gemacht habe, ist die Sehenswürdigkeiten zu Googlen und in unsere Liste einzufügen. Ich habe mit Luca, welcher ein Jahr in Thailand gelebt hat, schon eine sehr spirituelle Reise bei meinem Besuch in Thailand genossen. Er konnte mir damals sehr viel erzählen, erklären und zeigen da er mehrere Wochen als Mönch in einem Kloster gelebt hat. Luca, ich vermisse dich gerade sehr, im Herzen bist du und ihr alle mit dabei.
Heute möchten wir Leh besichtigen, Bloggen und uns die Zeit nehmen richtig anzukommen. Wir schlendern durch die Gassen und geniessen die mystisch spirituelle Atmosphäre die über der Stadt liegt. Es herrscht eine eigenartige friedliche Stimmung. Es fühlt sich an wie unter einer gläsernen Blase. In den Gassen herrscht reges Treiben von Einheimischen und Touristen. Auf dem Gehsteig verkaufen ältere Tibeterinnen Früchte und Gemüse und wir können nicht wiederstehen.
Ich erfahre, dass seine Heiligkeit Dalai-Lama in Leh weilt und man für eine persönliche Audienz anfragen kann. Ist das ein Wink vom Universum? Soll ich die Chance nutzen und versuchen ihn zu treffen? Ich brauche einen Moment, muss mir in Ruhe Gedanken dazu machen und entscheide mich dagegen. Wieso soll die reiche weisse Westlerin, mit Halbwissen zum Buddhismus einer echten Gläubigen einen möglichen Platz wegnehmen?
Es ist auch ohne Dalai-Lama ein grosses Privileg, dass wir unser Leben auf diese Weise geniessen dürfen. Ich habe in den drei Wochen in Indien schon so viele herzliche Begegnungen mit Mönchen erlebt, dass ich mich glücklich schätze darf. Wir haben mit Ihnen Tee geschlürft, ihren Worten gelauscht und ihre lachende ansteckende Herzlichkeit genossen.
Unser Auto haben wir mitten in der Stadt halb auf dem Gehweg, halb auf der Strasse abgestellt. Nach einigen Stunden erhalte ich via Instagram eine Mittteilung wir sollen doch bitte zum Auto kommen, es steht die Polizei davor. Dani marschiert los und kommt eine Stunde später wieder. Wir standen im Parkverbot und haben offenbar den Verkehr blockiert. Dani hat sich bei der Polizei mit einem Rundgang durch unsere Wohnung um eine Busse drücken können.
Unseren Nachtplatz hoch über Leh bei einer Stupa, teilen wir mit Miriam und Abraham. Die Schweizer aus dem Kanton Basel-Land reisen schon seit 6 Jahren in ihrem Toyota Land Cruiser. Wir verabreden uns für den nächsten Tag bei der Tak Tok Gompa etwas ausserhalb von Leh. Die Strasse dorthin führt durch die Indusebene und ist beidseitig reichlich mit weissen oder bunten Chörten (Kultbauten des tibetischen Buddhismus) geschmückt. Über der Strasse, ausser Reichweite der Lastwagendächer, sind tibetische Gebetsfahnen gespannt. Kurz vor Thikse, einem Kloster das wir besuchen möchten, parken wir unser Auto.
Von der Strasse aus haben wir Musik gehört. Wir werden Zeugen eines tibetischen Bogenschiessen-Fest. Die Festlichkeiten sind mitten im Tun und wie immer sind wir herzlich eingeladen zuzuschauen. Dani schaut fasziniert den Männern zu, die in grosser Entfernung mit einem Pfeil ein kleinen Holzscheibe treffen sollten. Gelingt es einem Teilnehmer, so spielen die anwesenden Musiker ein Lied und dem Schützen wird ein weisses Tuch um den Hals gelegt.
Die Frauen tanzen im Kreis und vorderen mich auf mitzutun. Das muss man mir nicht zweimal sagen und schon wirble und tanze ich mit den festlich gekleideten Damen. Den Buttertee den sie uns üppig einschenken, kriegen wir fast nicht runter. Er schmeckt uns gar nicht. Wir fühlen uns unbeobachtet und schütten den Tee unauffällig ins Gras. Um ein Nachfüllen zu verhindern verabschieden uns herzlich und machen uns auf zum Kloster.
Viele Treppen – schon wieder – müssen wir hochlaufen, vorbei an den Wohnzellen der Mönche bis wir das Thiksey Kloster erreichen. Jeder Treppenabsatz führt uns höher zum Kloster welches prächtig auf der Hügelspitze thront. Die Gebetsmühlen im Klosterhof werden von den Besuchern gedreht und die Glocken erklingen hell. Unter reichlich verzierte Holzbalken und kurzen gelben im Winde wehenden Rüschenvorhängen durch, überqueren wir barfuss und schweigend die Schwelle in den ersten Raum.
Die Wände in der Versammlungshalle sind wie in jedem bisher besichtigen Kloster reichlich verziert mit Wand/Rollenbildern (Thangkas). Sie zeigen auf, was mit schlechten Menschen nach dem Tod passiert. Sie betreten die Hölle oder kommen in das Reich der Hungergeiste. Das wollen wir alle nicht, also seid lieb miteinander.
Ein Gelbmützenmönch (ihr geistlicher Führer ist der Dalai-Lama) ist murmelnd in seine Gebete versunken. Ich schnappe mir ein Kissen und setzte mich zur meditieren Gruppe. Es gibt ein halbes Duzend verschiedene öffentlich begehbare Tempel und Räume. Zu sehen gibt es unter andrem einen etwa 8m hohen Buddha der auf einer Lotusblüte sitzt und eine Krone mit 5 Totenköpfen verziert sein Haupt. Ich könnte euch noch so viel über den Buddhismus erzählen aber es sprengt den Rahmen und interessiert bestimmt auch nicht alle.
Wir steigen hoch bis zum Tempeldach und geniessen den herrlichen Rundblick bis in die Ferne zu den verschneiten Berggipfeln. Ein weiteres wunderschönes farbenprächtiges gepflegtes Kloster, dass wir euch eine Reise nach Ladakh nur ans Herzen legen können.
Wir treffen kurz vor Miriam und Abraham, noch vor dem grossen Ansturm der Besucher im Tak Tok Kloster ein. Unser Fahrzeug parken wir so, dass uns niemand einparken kann und wir jederzeit wegfahren können. Hier findet heute eines der heiligen Haupt Festivals der Gelbmützen statt. Die Lamas (geistliche Führer) tanzen zu traditioneller Musik, welche von Mönchen gespielt wird. Die Maskentänze bilden den Höhepunkt der Feierlichkeit. Das Festival ist gut von Mönchen, Chomos (weibl. Mönch), Einheimischen sowie Touristen besucht. Die Stimmung ist am Anfang etwas gehässig da alle Touristen nur die besten Plätze belegen. Sie haben sich gegen Wegweisungen der Tibeter gewehrt und die Bitten nicht befolgt. Wir sind hier an einem heiligen Ort als Gast und es gibt Besucher die kennen einfach keinen Respekt. Schon gar nicht im Sinne des Buddhismus.
Ich bin auch erstaunt, wie viele Selfies oder hemmungslose Filme vor den tanzenden Mönchen gemacht werden. Geht es hier nun um die Besucher oder um das Ritual? Wir sehen hier auch zum ersten Mal einen inkarnierten Mönch. Spannend und ich wüsste liebend gerne mehr darüber. Mich begeistert und berührt die Region Ladakh in einer Art und Weise, wie ich es noch nie erlebt habe. Es geht mir unter die Haut und die Erlebnisse werde ich nie vergessen.
Wir suchen uns am späten Nachmittag gemeinsam mit Miriam und Abraham einen ruhigen Stellplatz um weiter zu plaudern. Gegessen wird was die Kühlschränke noch so hergeben. Am Morgen zieht es uns in unterschiedliche Richtungen. Wir möchten den 5'359m hohen Khardung La Pass überqueren und weiter ins Nubro Valley.
Die Fahrt auf den Pass ist nicht ganz so spektakulär wie wir erwartet haben. Wir hüpfen oben angekommen nur schnell aus dem Auto für ein Erinnerungsfoto, denn es schneit und dementsprechend kühl ist es. Mit den Höhenangaben übertreibt man gerne hier. Die 17'982 Fuss (5'480m), die auf der Passhöhe angeschieben sind, stimmen nicht ganz. Unser Unimog hat die steilen Kurven und die dünne Luft problemlos gemeistert. Bravo!
Auf der anderen Seite des Passes gibt es zwei Täler. Das Nubro und Shyok Valley. Wir starten mit dem erst erwähnten. Wunderschön zieht sich der schmale Asphaltstreifen durch das Tal flankiert von hohen Berge vorbei an kleinen tibetischen Dörfern. Wir können leider nicht bis zum Siachen-Gletscher fahren, da sich dort ein grosses Militärlager befindet. China und Pakistan sind nahe. Über die genaue Grenzführung ist man sich nicht einig. Scharmützel sind an der Tagesordnung.
Wir finden einmal mehr einen herrlichen ruhigen Stellplatz. Mit dem Waschlappen in der Hand geht’s zum arschkalten Gebirgsfluss. Eine Katzenwäschen muss reichen, für mehr ist es einfach zu kalt.
Wir füllen die drei Tage im Tal mit einer spektakulären nicht ganz ungefährlichen Wanderung und besuchen die Hot Springs in Panamik. Der Eintritt in das rudimentäre öffentliche Bad kostet pro Person 30 Rappen. Das Wasser ist gegen 40 Grad heiss (das Gegenteil von gestern). Die Entspannung tut unseren Muskeln gut und wir geniessen das bescheidene «Wellness-Programm».
Wir beschliessen noch ins benachbarte Shyok Vallay zu kurven. Wir stellen aber bald fest, dass es hier nicht so unser Ding ist. Bespassung wie Zipline, Buggy oder Quad Strecken säumen rechts und links das Strassenbild. So beschliessen wir uns einen schönen Platz zu suchen und Turtuk, das nördlichste Dorf in Indien nicht zu besuchen.
Turtuk ist berühmt, denn die Bevölkerung ging 1971 in Pakistan ins Bett und erwachte am Morgen in Indien. Auf der pakistanischen Seite, 50km entfernt liegt das Dorf Mashlu, von wo aus unserer mehrtägigen Wanderung zum K2 View Point gestartet ist.
Auf dem Retourweg möchte ich die Diskit Gompa (Kloster) und den Place of Worship besuchen. Auch dieses Kloster wird von den Gelbmützenmönchen unterhalten. Wir haben das grosse Glück, dem Nachmittagsgebet beiwohnen zu dürfen. Gänsehaut pur.
Nun heisst es nochmals den Khardung La Pass überqueren. Wir kommen zügig voran und freuen uns auf ein feines Nachtessen in Leh. Die Stadt ist nur noch einige Kurven entfernt. Unsere Mägen knurren und der Speichel fliesst schon beim Gedanken an Essen. Unsere Fahrt wir aber unerwarteterweise abrupt gestoppt. Ein Erdrutsch, von denen es so viele gibt, hat die Strasse zugeschüttet. Nun heisst es geduldig warten bis die Bagger die Erdmassen zur Seite geschoben haben.
Es gibt einige Erdrutsch und dementsprechend viele Baustellen. Hartarbeitende Bangladeschi und tibetische Frauen versuchen die Strassen regelmässig vom Schutt zu befreien und gleichzeitig die entstandenen Schäden wieder zu reparieren. Eine nicht endende alljährliche Katastrophe verursacht durch die heftigen Regenfälle in der Monsunzeit. Frauen und Männer sitzen am Strassenrand verkleinern Steine indem sie mit einem Hammer draufschlagen. Sie stellen unterschiedliche Grössen her und sortieren sie nach Grösse die zum Strassenbau verwendet werden. Die Arbeiter verdienen so wenig, Maschinen wären teurer. Ich sehe die Bilder der Steine klopfenden Daltons im Gefängnis, nachdem Lucky Luke sie in einer amüsanten Story geschnappt hatte. Hier ist es nur zum Heulen.
Wir erreichen im Konvoi zusammen mit nicht enden wollenden Militärlastwagen Kolonnen, via Changla Pass, 5’360m, den blau-türkisfarbenen Pangong Tso See. Der Pangong Tso ist ein 4’238m über dem Meeresspiegel gelegener Salzsee im Hochland von Tibet an der Grenze zwischen Indien und China. Im Winter friert er komplett zu. Mit 690km2 Flache ist er grösser als der Bodensee. Unser Planet ist so umwerfend vielfältig und unglaublich schön.
Nach einem kurzen Stopp in der Nyoma Gompa, wo wir andächtig einer Mönchs-Zeremonie lauschen, geht es über unbefestigte Strassen weiter zum Tso Moriri, welcher auf 4’522m liegt. Da passiert das Unglück. Wir versenken den Unimog vorne rechts bis zur Achse im Schlamm und stehen so schräg wie noch nie. Aussteigen, begutachten und Lösungen diskutieren. Wir entschliessen uns, dass ich mit dem Velo Hilfe organisiere und Dani mit Schaufeln beginnt. Bevor wir loslegen, lässt Dani noch auf der Gegenseite die Luft aus den Pneus, damit wir die Schräglage etwas reduzieren können. Wir befinden uns auf 4’600m. Jede körperliche Tätigkeit ist sehr anstrengend und wir schnappen nach Luft, der Puls auf 150. Von der Höhe oder vom Adrenalinkick?
Zum Glück wird auf dieser Strecke die Strasse neu gebaut. Ich fahre mit dem Rad zu den Arbeitern und zeige die Fotos unseres Malheurs. Der Vorarbeiter winkt verneinend ab und lässt mich stehen. Ich hechle ihm hinterher und bitte fast auf Knien um Hilfe. Wiederwillig begleitet er mich zu Fuss zur Unglücksstelle. Dort angekommen staunt er und wirkt wieder sehr abweisend. Irgendwann packt er mein Velo fährt zurück und kommt mit einem LKW und Fahrer und einem weitere Helfer zurück. Zusammen diskutiert die Herrenrunde, wie sie uns am besten rausziehen. Für Dani ist sonnenklar, dass es nur rückwärts funktioniert, vorwärts kippen wir.
Nun heisst es den LKW optimal zu platzieren, Abschleppseil montieren und los geht’s. Mühelos stehen wir einige Sekunden später wieder sicher auf hartem Untergrund. Gerne und dankbar lassen wir etwas Geld die Besitzer wechseln. Nochmals heil davongekommen!
Pannenfrei erreichen wir nach ca. 30 Minuten den Hochgebirgssee See und sind zu Müde nochmals etwas tiefer zu fahren um einen Stellplatz zu suchen. Ideal ist es nicht in dieser Höhe zu schlafen, wenn es dann überhaupt klappt. In solcher Höhe bekunden wir immer Mühe mit dem Schlaf. Der See liegt eingebettet in schneebedeckte Gipfel und ist eine türkisfarbene Augenweide.
Wir haben trotz dünner Luft relativ gut geschlafen und tuckern langsam weiter zum nächsten Salzsee dem Tso Kar. Auch er liegt auf über 4'500m. In dieser Gegend hat es nicht viele aber doch vereinzelt Touristen. Ausnahmslos indische Touristen. Man kommt schnell ins Gespräch. Nach etwas Smalltalk kommt oft die Frage «Dürfen wir in die Box?». Charmant und nett lehne ich jedes Mal ab. Würden wir dies nicht tun, so hätten wir täglich ganz viele unbekannt «Gaffer» und dies möchte ich auf keinen Fall.
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