Blog #14, Dani:

Besteigung Mount Ararat 5'137müM

Schon auf der Hinfahrt zum Ishak-Pascha-Palast fällt der mächtige, freistehende Mount Ararat (Ağrı Dağı) auf. Er ist etwa bis zur halben Höhe mit Schnee bedeckt und zieht uns magisch an. Wir sind so fasziniert, dass wir uns spontan entschliessen, den 5'137 Meter hohen Gipfel zu erklimmen.

Unseren Guide Kawa haben wir zufällig auf dem Parkplatz vor dem Palast kennengelernt. Er und seine Familie (Mutter und Geschwister) führen nebst der Trekking Agentur (https://www.ararattrekkingtours.com/) ein Restaurant mit Lunapark (bei uns würden die alten Bahnen eingestampft werden) gleich unterhalb vom Palast. Wir stellen unser Gefährt bei ihnen auf den Parkplatz neben einem anderen Camper eines sehr charmanten älteren Ehepaars aus Australien (David & Jan). Mehr Infos dazu unter Who is who.

Auf der Restaurantterrasse lernen wir bei einem Cay die ganze Familie kennen und besprechen das Vorgehen. Uns gefallen das flexible Programm - wir legen uns nicht auf die Anzahl Tage fest - und die Möglichkeit alleine mit zwei Guides die Tour durchführen zu können. Normalerweise dauert diese 3-8 Tage. Kawa meinte, wir sind flexibel und schauen mal wie wir vorankommen und sich das Wetter entwickelt. Der Preis von 250 USD plus 50 USD für das Permit pro Person, inkl. Transport, Essen und Ausrüstung unabhängig von der Dauer, scheint uns sehr budgetfreundlich.

Kawa erwähnt, dass es möglich ist, einen Teil der Strecke, bis ca. 4’500müM, mit den Skiern zu absolvieren. Marlene und ich schauen uns an. Wir Snowboarder sind seit längerer Zeit nicht mehr auf den Skiern gestanden. Da wir Bergtouren mit Schneeschuhen und Board gewohnt sind und Situationen im Schnee grundsätzlich gut einschätzen können, beschliessen wir die Skioption zu wählen. Zudem müssen wir erwähnen, dass der Mount Ararat technisch kein schwieriger Berg ist und ohne Seil bestiegen werden kann.

Skier gehören offenbar nicht zur Standardausrüstung und Kawa muss diese zu mieten. Dazu fahren wir am darauffolgenden Tag gemeinsam zum «nahe gelegenen» Sportgeschäft in Erzurum. Wir müssen mit, weil die Schuhe ja passen sollen. Das wäre wie, wenn wir von Zürich schnell nach Genf und zurück fahren würden um Skier zu mieten. Wir haben ja Zeit und die Landschaft ist hinreissend. 8 Stunden später sind wir mit Ski, Schuhen, Stöcken sowie Fellen zurück auf dem Parkplatz. 

Einige Menschen glauben, dass gemäss Beschreibung im Alten Testament Noas Arche nach der Sintflut hier am Berg gestrandet sein muss. Anerkannte wissenschaftliche Belege für dieses Ereignis fehlen allerdings. Kawa hat hier mit einigen Forschern aus Amerika vergeblich nach Überresten gegraben. Wohl ein Mythos der sich hartnäckig hält aber so bleibt der Berg auch ein weiterhin ein mystischer, biblischer Ort welcher gerne von Pilgern besucht wird.


Tag 1 (2'200müM – 3’030müM)

Wir fahren mit dem vollbeladenen Toyota Hilux zum Fuss unserer Herausforderung auf 2'200 müM. Die komplette Ausrüstung wie, Zelte, Schlafsäcke, Essen, Trinkwasser, Tische, Hocker, Kochausrüstung, Skis, Schuhe, Kleider, usw., wird auf drei bereitstehende Pferde geschnallt (Marlene tun die Pferde leid aber alles selber hoch tragen möchte sie dann trotzdem nicht). Zudem gesellt sich Resul unser Koch und Guide dazu. Wir laufen mit leichtem Gepäck los, ins erste Basislager auf 3'030 müM. Nach ca. 2.5h oben angekommen, sind die Pferde entladen und das Küchenzelt steht bereits. Das Küchenzelt spielt eine zentrale Rolle während unseres Trips. Da wird gegessen, Tee getrunken, Geschichten erzählt und der vergangene bzw. der kommende Tag besprochen.

 

 

Marlene und ich stellen gemeinsam unser Zelt auf und platzieren unsere Schlafsäcke auf harte, dünne Schaumstoffmatten. Wir haben ein Doppelzelt gebucht 😊. Wir richten uns gemütlich ein, denn wir bleiben zwecks Akklimatisation für zwei Nächte auf dieser Höhe. Es gibt bald Tee und ein Snack – sehr lecker. Das Essen ist auf der ganzen Tour auf sehr hohem Niveau. Resul zaubert in seiner kleinen und einfachen Küche jeden Tag diverse kurdische Spezialitäten auf den Tisch. Es gibt immer Frühstück, ein Snack und ein Abendessen. Tee und Mineralwasser sind jederzeit verfügbar. Zum Kochen und für den Tee wird Schnee geschmolzen, der ab einer gewissen Höhe in rauen Mengen vorhanden ist.

 

 

Während dem Nachtessen friere ich und bekomme Schüttelfrost. Wärmere Kleidung hilft, denke ich und gehe zurück ins Zelt. Mein Kopf hat eine leicht erhöhte Temperatur und ich verspüre den Drang dringend aufs Klo zu müssen. Die Konsistenz des Outputs hat sich schlagartig stark verändert. Das Prozedere wiederholt sich im Stunden Takt, die ganz Nacht bis in die Morgenstunden. Ja super!


2. Tag (3’030müM - 3’750müM – 3’030müM)

Ich habe wohl zu viel Sonne erwischt und fühlte mich am nächsten Morgen entsprechend schlecht und schwach. Ich verzichtete auf die geplante Akklimatisierungstour und verbringe die nächsten Stunden im Zelt. Marlene und Kawa unser Guide marschierten hoch zum zweiten Basislager auf 3’750müM und wieder zurück. Am Nachmittag, als ich mich länger als 2 Stunden ohne WC-Besuch bewegen konnte, unternahm ich mit reduzierten Kräften ebenfalls noch eine kleine Wanderung durch die Gegend.

 

Am Abend ist der Hunger zurück und die Hoffnung für das Weitermachen auch. (Marlene hat gekochte Kartoffeln ohne Beilagen für mich bestellt, was offenbar geholfen hat.)


3. Tag (3’030müM - 3’750müM - 4’200müM - 3’750müM)

Nach dem Frühstück wird das ganz Lager abgebrochen und erneut auf die bereitstehenden Pferde verteilt. Der Aufstieg ins Basislager II «verlief» problemlos, der Ruhetag gestern hat mir gutgetan und ich war wieder dicht. Nach knapp 3 Stunden sind wir über der Schneegrenze im neuen Lager angekommen. Nun heisst es alles wieder aufstellen und einrichten. Nach dem obligaten Tee und Zwischenverpflegung präparieren Marlene und ich unsere Skier für den Probeaufstieg. Bevor es morgen losgeht, möchten wir das Equipment und unser Können testen. Der Schnee ist am Nachmittag sehr weich. Es ist einfach die Spur im Zick-Zack in den Hang zu legen. Diese können wir für den morgigen Aufstieg nutzen, so der Plan. Die ersten Spitzkehren bereiten doch noch etwas Mühe und gehen nicht so elegant von der Hand. Aber Übung macht den Meister und die Erinnerungen der Motorik kehrt langsam zurück. Die Signale aus der Hirnrinde werden immer präziser. Unsere Guides fahren nicht Ski, deshalb dürfen wir die Testtour selbstständig unternehmen. Wir stoppen, wie mit Kawa vereinbart, bei ca. 4’200müM so dass wir unser Schlafplatz noch einsehen können. Felle ab und los geht’s! Uiuiui, die ersten «Schwünge» gestalten sich schwierig und behäbig. Die 30ig jährige Ski Abstinenz lässt mich wie ein Anfänger aussehen. Ich pflüge mich durch den Sulzschnee. Marlene geht’s nicht besser. Wir sehen uns an und müssen lachen. Doch auch da, mit jedem Schwung geht es besser und die Erinnerungen kommen schnell zurück. Es hat uns richtig Spass gemacht – geht doch! Marlene meint nur trocken «wir fahren in der Kackstellung wie Anfänger den Hang hinunter», hat was….

Alles bereitlegen, Felle wieder drauf, kohlenhydrathaltiges Nachtessen geniessen und ab ins Bett. Es folgt eine kurze Nacht!


4. Tag (3’750müM – 5’137müM – 3’750müM)

01:00 Tagwach mit anschliessendem Frühstück in unserem Küchenzelt. Die Akkus werden nochmals gefüllt und wir fühlen uns gut und fit für den Aufstieg. Der Himmel ist sternenklar die Temperatur kalt aber ohne Wind soweit angenehm. Trotz des Mondlichts schalten wir unsere Stirnlampen ein und beleuchten jeweils die nächsten 2-3 direkt vor uns. Wir suchen damit unsere Spuren von gestern. Wo sind unsere Spuren? Wir finden diese nicht. Es ist ca. 02:00h wir fahren also ohne Spuren los. Im pickelharten Schnee sind die Bedingungen natürlich komplett anders. Die Spitzkehren gestalten sich als schwierig und kräfteraubend, da die Kanten der schlecht gewarteten Mietskies nicht top sind. Nach drei Kehren entschlossen wir uns die Übung abzurechen, zumal wir unsere gestrigen Spuren immer noch nicht gekreuzt hatten. Diese sind vermutlich durch die gestrige Wärme weggeschmolzen. Also Skier stehen lassen und mit den Skischuhen hoch. Die Guides haben darauf bestanden diese bis zu 4’500müM hochzutragen um diese dort für die Abfahrt zu deponieren. Wir wollten wandern und nicht diskutieren, also haben wir uns herzlich bedankt und die Skier auf den Rucksack von Resul geladen. Kawas Rucksack eignete sich nicht für den Transport von solchen Gerätschaften. Mittlerweile hat uns die Gruppe Ukrainer, die nach uns gestartet sind, überholt. Aber he, es ist ja kein Rennen.

 

Auch ohne Skier an den Füssen stapfen wir das grosse Schneefeld von gestern hoch. Die ukrainische Gruppe wählt den steinigen Weg. Auf der Höhe des erwähnten Skidepots wechseln wir die Schuhe. Unsere Bergschuhe, die wir im Rucksack haben, erscheinen uns bequemer als die Skischuhe. Zudem sind die Steigeisen bereits auf deren Grösse justiert. 

 

Die Morgendämmerung kommt und wir können unsere Stirnlampen verstauen. Wir fühlen uns gut und frisch auch wenn die Schritte mit jeden 100 Metern etwas langsamer werden. Kräfte einteilen, konstantes Schritttempo, wenige und kurze Pausen und Tee trinken ist die Zauberformel.

 

Ca. 200 Höhenmeter unter dem Gipfel, die Sonne scheint uns mittlerweile ins Gesicht, montieren wir unsere Steigeisen und Sonnenbrille. Der letzte Aufstieg ist mit blankem Eis überzogen, so informieren unsere Guides. Marlene und ich schauen uns an, als wir feststellten, dass sich Kawa und Resul ein Paar Steigeisen teilten müssen. Offenbar hat man eines vergessen. Immerhin hat jeder nun ein Eisen montiert und in dieser Konstellation marschieren wir los. Und wirklich oben öffnet sich eine Fläche die grösstenteils vereist ist. Vereinzelt haftet Schnee darauf, welcher den Beiden hilft, sicher aufzusteigen.

 

Die letzten paar Höhenmeter sind derart vereist und wesentlich steiler, dass sie nun Schwierigkeiten bekamen. Kawa gibt sein Eisen ab und überlässt den Aufstieg Resul. Es waren wirklich nur noch 10 Minuten und wir stehen oben auf dem Gipfel. Es ist 08:15h - was wir sicher nicht sind😊.

 

Dieses Panorama, das wolkenlose Wetter, der Stolz auf die Leistung und unsern Mut uns auf dieses Vorhaben einzulassen, den Berg zu erklimmen und uns auf diese grosse Reise zu begeben überwältigen uns. Wir stehen da mit Tränen in den Augen und können es nicht fassen. Erlebnisse nicht Dinge machen glücklich. Ängste überwinden und mit mehr Leichtigkeit leben.

Für das obligate Gipfelfoto fehlt nun natürlich Kawa. Resul wirft ihm im hohen Bogen die Eisen vom Gipfel hinunter. 10 Minuten später stehen wir alle für das Foto bereit. Überglücklich treten wir den Heimweg an.

Auf dem Rückweg kreuzen wir die ukrainische Gruppe die sich für den Aufstieg mit den Eisen bereit macht. Einige von ihnen sind schon etwas gezeichnet von der Anstrengung. Wir laufen locker an ihnen vorbei – nein, nein und he…..es ist ja kein Rennen, etwas Stolz macht es uns trotzdem.

 

Der Stolz und das gefühlte Glück trägt uns hinunter zu den Skis und die Skis uns bis zum Basislager. Es ist mittlerweile 10.30h 

Nach einem Tee und einer Zwischenverpflegung legten wir uns in die Zelte und versuchten vergeblich zu schlafen. Zu heiss, zu viel Adrenalin im Blut. Stattessen lassen wir den Tag nochmals Revue passieren. Wir bleiben die Nacht nochmals im Basislager 2.

 

Stunden später kommen auch unsere Nachbarn erschöpft zurück. Die armen Kerle müssen noch packen, denn sie schlafen im Basislager 1. Wir verstehen es nicht und gehen Nachtessen bevor wir uns definitiv zum Schlafen begeben. Kaum haben wir uns aufs Ohr gelegt hören wir einen Donner. Es beginnt massiv zu schneien und stürmen. Wir hofften, unsere Freunde aus Kiew sind trocken und heil im Basislager 1 angekommen.


5. Tag (3’750müM – 2’200müM)

Um 07.00h ist erneut Tagwach. Es tun uns alle Knochen weh. Nicht vom Aufstieg gestern, sondern von den harten Matten. Wir wussten nachts nicht mehr wie wir liegen sollten. Wir freuen uns extrem auf unser bequemes und kuscheliges Zuhause. Schnell frühstücken, packen und ab ins Tal.

Unten auf dem Parkplatz steht ein Minibus für uns bereit. Unsere Pferde sind auch soeben angekommen und werden von den Trägern entladen und das Gepäck in den Bus verfrachtet. Es läuft alles wie am Schnürchen. Wir fahren los.

 

Auf halber Strecke biegt der Fahrer auf einen Feldweg ein. Es soll eine Abkürzung sein, zudem ist die Hauptstrasse wegen einer Baustelle blockiert. OK, denken wir. Allerdings können wir von Weitem die Hauptstrasse sehen und da rollen die Fahrzeuge ganz normal. Weiter auf dem Feldweg, wir bewegen und mit ca. 10km/h, plötzlich vor uns ein Bewässerungsgraben quer über sie Strasse. Der Fahrer fährt rein und wir stecken mit der Hinterachse im Graben fest. Hätten wir die Hauptstrasse genommen, wären wir schon lange «zu Hause». Alle aussteigen und schieben. Geht nicht. Kawa verliert die Nerven und zerrt den Fahrer aus seinem Fahrzeug. Mit vereinten Kräften und Kawas Fingerspitzengefühl bringen wir die Kuh vom Eis. 20 Minuten später kommen wir auf dem Restaurantparkplatz an.

 

Der Arbeitstag ist allerdings damit noch nicht fertig. Alles ausräumen, Wäsche waschen, Wunden lecken, Dinge sortieren und versorgen. Am Ende gabs noch für uns vier ein leckeres Abschlussessen (türkische Pizza) und für Marlene und mich ein Diplom. Erschöpft und überglücklich legen wir uns ins verdiente und bequeme Bett und schlafen unmittelbar ein.

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