Die Ukraine ist mit über 600'000 km2 nach Russland das zweitgrösste Land auf dem europäischen Kontinent. Somit wird das Land etwas Zeit in Anspruch nehmen auch für euch die diesen Blog gerade lesen. Wir haben die Zeit, ihr auch?
Die Überquerung der Grenze ging nicht mehr so zackig wie bisher. Im Vorfeld haben wir uns schlau gemacht was wir alles brauchen und hatten auch alles zur Hand. Die Zollbeamtin Anna, charmant und nett, hat eine Bestätigung der Krankenkasse verlangt, welche bestätigt, dass wir im Krankheitsfall (Covid-19) uneingeschränkt versichert sind.
Wir hatten zu diesem Zeitpunkt kein WIFI und unsere SIM Karte funktioniert nicht mehr ausserhalb der EU. Netterweise gab uns Anna einen Hotspot und Dani konnte die Krankenkasse kontaktieren. Wir möchten uns an dieser Stelle bedanken bei der Helsana für den unkomplizierten und schnellen Service. Nach einer Stunde warten im Niemandsland zwischen der Slowakei und Ukraine hatten wir die geforderten Papiere und wir bekamen «DAS WEISSE BLATT», eine Art Laufzettel, mit welchem wir durch die verschiedenen Stellen geschleust wurden. Personen mit unterschiedlichen Uniformen wollten der Reihe nach die Dokumente und teilweise die Innereien des Unimogs begutachten.
Als wir dachten wir könnten nun endlich losfahren, kommt eine weitere Dame mit ernster Miene in sehr schöner, andersfarbigen Uniform. Wir packen die Papiere erneut aus. Ein Rundgang um das Fahrzeug konnte ihr dann doch noch ein Lächeln und ein Kopfnicken entlocken, dass uns die Weiterfahrt signalisierte. An der letzten Schranke kontrolliert ein schwer bewaffneter Soldat «DAS WEISSE BLATT». Es scheint alles korrekt zu sein. Hallo Ukraine wir kommen!
(An dieser Stelle leider keine Fotos, weil verboten.)
Die Fahrt in die Karpaten verlief holprig aber für uns ok – wir fahren ja ein Geländefahrzeug. Die Strassenverhältnisse werden merklich schlechter. Gewisse Strassenabschnitte weisen solch grosse Schlaglöcher auf, sodass wir nur im Schritttempo vorwärtskommen, was Dani zwang die Fahrwerksabstimmung (Dämpfer) zu verändern.
Die erste kurze Wanderung endete abrupt, denn Dani hat bemerkt, dass er den Kabinenschlüssel verloren hat. Bravo, den von gestern finden wir auch nicht mehr. 2 Schlüssel in 24h verloren??
Der Reserveschlüssel war aber noch an seinem Platz (was wir vor etwa 3 Wochen das letzte Mal kontrolliert hatten). Nun machen wir das bestimmt öfters. Marlene ist nochmals retour zum Restaurant und hat den verloren geglaubten wieder gefunden😊 Happy end…..
Als weiteres Highlight zur wunderschönen Natur sind die Dieselpreise in der Ukraine. Wir zahlen noch ca. 65 Rappen pro Liter. Auch unser Treibstoff das Bier in der obenerwähnten Beiz kostet umgerechnet CHF 1.30.
Wir haben am nächsten Tag eine wunderschöne Wanderung absolviert. Einige Wanderwege sind gleichzeitig auch Flussbett. So haben wir 6h durchgekneippt.
Die 160km Weiterfahrt nach Lwiw (Lemberg) absolvierten wir in 2 Tagen da die Strassenzustände phasenweise so mies sind. Wir haben für knapp 50km mehr als 3h gebraucht und sind fix und fertig irgendwo an einem Fluss ins Bett. Wären wir Prothesen Träger, so hätten wir Kukident extra strong benötigt.
Lwiw ist zusammen mit Odessa die schönste erhaltene Stadt aus der Jahrhundertwende in der Ukraine. Die gesamte Altstadt ist im Zweiten Weltkrieg von der Zerstörung verschont geblieben. Sie gehört zum UNESCO Welterbe. Wir spazieren zum Marktplatz, schlendern durch die Altstadtgassen, welche autofrei sind, und besuchen die Prunkbauten und Museen.
Die Stadt Lemberg (Lwiw) ist eine Reise wert und wir nutzen die Gelegenheit und kaufen eine lokale SIM-Karte. Yes, wir können wieder navigieren und die Sehenswürdigkeiten recherchieren. Es gibt über 1200 Restaurants/Cafés/Bars, was uns natürlich entgegenkommt, denn ihr wisst Essenskultur/Museen müssen sich im Gleichgewicht befinden. Viele grossartige Strassenmusiker machen die Atmosphäre perfekt.
Die Weiterfahrt nach Kiew haben wir mit vielen interessanten Stopps unterlegt. Erwähnenswert dabei sind 2 Besichtigungen, ein altes Fort und den Tunnel of Love.
Das alte Fort fühlt sich an wie eine Geisterstadt mit einem komplexen Labyrinth. Die beeindruckende Verteidigungsanlage wurde während des Ersten Weltkriegs aktiv genutzt. Dieses Meisterwerk der Militärarchitektur wurde im 19. Jahrhundert erbaut. Damals gehörte das Gebiet der Festung zum Russischen Reich. Der Zweck des Forts Tarakaniw war es, die Eisenbahn zu beschützen und den Feind daran zu hindern, Militärstützpunkte an der Grenze zu errichten.
Der Haupteingangstunnel führt zum Verwaltungsgebäude der Festung eines grossen zweistöckigen Gebäudes, das einst bewohnt war. Es gab Wohnhäuser, Lagerhäuser, Haushaltsräume, sogar eine kleine Kirche. Insgesamt hatte die Burg 105 Räume, die sowohl für militärische Einsätze als auch für das Leben bestimmt waren. Es gab auch ein Krankenhaus, einen Operationssaal, eine Leichenhalle, mehrere Toiletten und Brunnen. Die Räume wurden mit Belüftung ausgestattet und mit Öfen beheizt. Um die Belüftung zu sehen sind wir auf den Hügel geklettert. Die Ruinen der Festung ist ein geheimnisvoller Ort, welchen wir mit Stirnlampe ausgestattet besichtigt haben. Die Menschen raten davon ab, das Tarakaniv Fort unabhängig zu besuchen. Die Leute erzählen sogar von den Geistern der toten Soldaten. Der Ort ist gefährlich, da die Mauern der Festung oft einstürzen. Trotz aller Gefahren und Warnungen haben wir uns tief in die unterirdischen Gänge vorgewagt und viele der Räume besichtigt. Es war ein super Abendteuer und hat viel Spass gemacht.
Die Bahnstrecke Klewan–Orschiw ist eine vier Kilometer lange, eingleisige und nicht elektrifizierte Bahnstrecke in der Ukraine. Sie wird ausschließlich im Güterverkehr bedient. Die Strecke wurde 1870 gebaut, um der holzverarbeitenden Industrie in Orschiw einen Eisenbahnanschluss zu verschaffen.
Als 2009 der Fotograf Serhii Delidon den Baumtunnel (Tunnel of Love) als Hintergrund für Hochzeitsfotos nutzte, wurde das Motiv bald sehr beliebt und machte über das Internet Karriere.
Kurzentschlossen legen wir noch einige Tage Baden und Erholung am Kiewer Meer ein, da es uns für Kiew noch zu heiss ist. Eigentlich ist das Meer ein Stausee, doppelt so gross wie der Bodensee, gebaut in den 60-er Jahren von damaligen Parteichef Nikita Chruschtschow.
Leider hatte es nur an einem Tag einigermassen genug Wind für eine Kitesession (15m2, Flysurfer mit einer Door). Egal, wir haben die lauen Abende am Feuer genossen und fortwährend draussen gegessen. Wir fanden auch mal Zeit die Wohnkabine zu reinigen.
Der Gluscht nach einer Wassermelone hatte uns mit dem Fahrrad ins nächste Städtchen getrieben. Beim Heimradeln, mit riesiger Wassermelone im Rucksack, hören wir Maschinengewehrsalven und eine Explosion wohl aus dem Ort, wo wir soeben waren. Marlene meint nur trocken: Wohl ein lokaler Bandenkrieg und gut sind wir weg. Eher war es eine militärische Übung.
Am Ende der Woche (heute ist Mittwoch) werden wir abends zum Nachtessen in Kiew erwartet. Wir sind von einer ukrainischen Familie eingeladen, mit welcher wir in Lwiw kurz gesprochen hatten. Sie haben wohl unser Fahrzeug fotografiert und via Homepage unseren Insta Account gefunden. Marlene hat gemeint ob sie noch einen Post machen soll, in dem sie nach veganen Läden in Kiew fragt, 😊. Aber schon unsere Eltern haben gesagt, es wird gegessen was auf den Tisch kommt. (es war vegetarisch und mega lecker...:-)
Das Nachtessen war herrlich und die Gastfreundschaft einfach umwerfend. Viele gute Gespräche haben wir geführt und viele zusätzliche Reisetipps bekommen, die wir teilweise noch umsetzen werden.
Unser Tourguide durch Kiew Alexander, haben wir auch am Kiewer Meer kennengelernt. Er arbeitet als Concierge im Hilton und hat das perfekt gemacht. Kiew ist eine grossartige Stadt mit sehr viel Geschichte und Kultur - seht euch die Fotos an. Auf dem Nachhauseweg überkam uns noch der übliche Absackergluscht und wir sind erst Stunden später nachhause gekommen. Diese Samstagnacht war grossartig. Der Rummel, die Musik die vollen Gassen erinnern uns schwer ans Zürifest. Unser Unimog stand quasi an der Langstrasse von Kiew, sodass wir nicht viel Schlaf abbekommen haben. Ob dies jede Samstagnacht so ist? Wir werden es nicht erfahren, da wir am nächsten Samstag nicht mehr in der Hauptstadt sind.
Für den nächsten Tag haben wir eine Tour nach Tschernobyl und Prypjat gebucht. Unglaublich was sich vor über 30 Jahren und in den Monaten und Jahren danach ereignet hatte. Niemand weiss wie viele Menschen in dieser Zeitspanne gestorben sind. Das Ausmass der Katastrophe kann man bis heute nicht vollends erfassen.
Das Sperrgebiet ist seit 2011 für Touristen geöffnet. Die Faszination die ehemalige Todeszone mit der Geisterstadt Prypjat zu besuchen zieht jedes Jahr tausende Besucher an. Auch uns beeindruckt dieser Ort mit der schrecklichen Geschichte. Prypjat war eine Musterstadt in der ehemaligen Sowjetunion, die alles zu bieten hatte: Fussballstadion, Boxarena, Hallenbad, Lunapark, Hotels und gut bezahlte Jobs. Viele haben im Kernkraftwerk gearbeitet und mussten ihr Zuhause am 27. April 1986 fluchtartig verlassen – bis heute. Eine Rückkehr ist undenkbar. Die Radioaktivität ist für einen dauerhaften Aufenthalt nach wie vor zu hoch. Für die Messung unserer Strahlenbelastung bekommt jeder der sechs Tour Teilnehmer ein Dosimeter um den Hals gehängt.
Wegen Covid-19 hatte es sehr wenige Touristen, was die seltsame Stimmung in der Stadt noch verstärkt. Wir konnten teilweise ohne Guide durch die verlassenen Häuser ziehen und Fotos schiessen. Nach 12 Stunden sind wir erschlagen von den Eindrücken zurück in unserem kleinen Heim und lassen das Erlebte nochmals Revue passieren. Wir sind erschlagen. Der Tag ist allerdings noch nicht fertig.
Während der Mittagspause hatte Dani im Instagram ein Post der ukrainischen Version von «Top Gear» Namens «Topcars» mit unserem Unimog entdeckt. Auf den Fotos mussten wir mir Schrecken erkennen, dass unsere Wohnkabine auf der Seite mittlerweile ein hässliches Graffiti bekommen hat. Wer macht sowas bloss? Gefrustet haben wir das Foto mit der Schmiererei und einem entsprechenden Text im Insta gepostet. Was danach geschah übertraf alle unsere Erwartungen und die Ereignisse überschlugen sich.
Die Anteilnahme und Tipps den Schandfleck zu entfernen war riesig. Peter, welchen wir mit seiner Familie am Kiewer See getroffen hatten, hat sich gemeldet. Er komme vorbei und helfe uns, es war mittlerweile 22.30h. Wir nahmen dankend an. Er wusste genau wo unser Fahrzeug stand, weil er am Vortag zufälligerweise daran vorbeifuhr – unglaublich! Eine Halbestunde später stand er da mit Abschminkwatte und Nagellackentferner. Kurz vor Mitternacht war der Schaden behoben und Peter zog von dannen. Wir schauten uns an und konnten es kaum glauben was soeben passiert war. So viele Zufälle und Anteilnahme gibt es doch gar nicht. Doch und am nächsten Tag kam’s noch dicker.
Am nächsten Morgen entschlossen wir uns Kiew zu verlassen und uns weiter südlich auf einem gemütlichen Campingplatz am Dnjepr niederzulassen. Wir benötigen Frischwasser und der Grauwassertank (für alle die wie ich vor unserer Reise nicht wissen was der Grauwassertank ist....Abwasser..) muss geleert werden. Duschen wäre auch wieder mal fällig. Auf dem Weg dorthin machen wir Halt bei einem Supermarkt für einen Kühlschrank Refill.
Wir schieben den übervollen Einkaufswagen aus dem Gebäude und werden nach wenigen Metern von zwei kräftigen Männern, Taras und Jewgeni aufgehalten. Taras begrüsst uns freundlich auf Deutsch und Englisch und erklärt uns, dass Jewgeni ein grosser Fan von unserem Unimog ist und uns gerne in sein Haus am See einladen möchte. Gesehen hat er unser Gefährt im Instagram und hat uns dort auch schon Kommentare hinterlassen, die wir nicht leider lesen konnten, weil in kyrillisch geschrieben. Neugierig und strahlend sind wir hinter ihnen hergefahren, wir haben das Angebot natürlich ohne Zögern dankend angenommen.
Jewgeni, seine Frau Valeria und Jewgeni Junior leben idyllisch gelegen direkt an einem Nebenarm der Dnjepr. Wir durften vor dem Haus parken und wurden von der ersten Sekunde an verwöhnt. 3 Tage Vollpension, Waschmaschine benutzen, Duschen, Garten und Sandstrand benutzen.
Wir wurden sogar auf eine Bootsfahrt eingeladen und abends gab es jeweils ein Lagerfeuer. Da unser Kühlschrank wie erwähnt randvoll war, hat Marlene auch immer irgendetwas gekocht und dazugestellt. Abends hat sich jeweils auch Taris mit seiner Familie dazu gesetzt und es wurde angeregt diskutiert und geschlemmt.
Am Ende wurden wir mit Gemüse und Früchten aus dem eigenen Garten bestückt. Es gab noch Einmachgläser gefüllt mit diversem eingelegten respektive gekochten Speisen. Karina, die Frau von Taris ist am Morgen vor der Abfahrt noch mit einem selbstgebackenen Apfelkuchen vorbeigekommen und auch den haben wir noch in unserem Tinyhouse untergebracht. Im Konvoi wurden wir zu unserem nächsten Halt in einem privaten Tierpark eskortiert. Diesen Stellplatz hat uns Jewgeni organisiert und auch dort waren wir an einem herrlichen, wunderschönen Ort direkt am Wasser. Also liebe Leser, wir können euch die Ukraine wärmstens empfehlen. Das Land bietet so unglaublich viel und die Menschen sind warmherzig, hilfsbereit und liebenswert.
Das nächste Ziel ist Odessa, ca. 800km entfernt. Wir nehmen uns Zeit und fahren ca. 200km pro Tag. Mehr lassen die Strassenverhältnisse auch nicht zu. An der Dnjepr und deren Umgebung gibt es verschiedene Sehenswürdigkeiten und einsame weisse Sandstrände, die wir uns nicht entgehen lassen wollen.
Odessa ist das Ibiza der Ukraine und wir haben den Luxus, der sich anbietet, wie Beachclub und Essen in wunderbarem Ambiente in vollen Zügen genossen. Das Restaurant Bernardazzi möchten wir an dieser Stelle gerne erwähnen da es ein absolutes highlight war, falls ihr dann auch mal nach Odessa reist. Es ist ein Muss.
Jetzt geht's in Richtung Rumänien.
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