Blog #24b, Marlene (Januar 2023, Saudi-Arabien)

Rally Dakar

Wir erreichen Yanbu und finden es mässig lässig. Die öffentlichen Duschen sind jedoch sehr angenehm und wir geniessen eine herrliche kalte Körperreinigung. Mal wieder richtig sauber wie angenehm. Im Unimog können wir schon Duschen aber Wasser ist hier eine der grossen Raritäten und deshalb muss der Waschlappen oft reichen. Schnell suchen wir eine Wäscherei und mit etwas Verhandlungsgeschick zahlbaren Preisen, füllen wir die zwei Trommeln, füllen Wasser und Essen auf und verziehen uns wieder ins Hinterland wo zwei Stunden später die Wäsche im Wind trocken kann. 

 

Dani versucht über diverse Kanäle an die exakten Koordinaten für den Start der Rally Dakar zukommen. Der langersehnte Anlass steht endlich in greifbarer Nähe. Es gibt eine offizielle Seite und auch eine App zum Anlass aber keine genauen und verlässlichen Angaben zur Strecke. Über einen Kontakt den wir in Neom kennengelernt hatten, erhalten wir die exakten Koordinaten des Beach Camps und Start des Rallys.

 

Für Dani ist dieser Anlass ein Höhepunkt auf der Reise und schon lange in der Agenda eingetragen. Ein Traum wird wahr. Wir wissen allerdings noch nicht wie wir ohne Batch in die Nähe des Camps kommen oder sogar hinein, was das eigentliche Ziel ist. Die Rally Dakar 2023 ist die 45. Ausgabe der Rally und findet das vierte Mal in Saudi-Arabien statt. Die Rally Dakar (vormals Rally Paris–Dakar) ist ein Rally-Raid-Wettbewerb, der als die bedeutendste Langstrecken- und Wüsten Rally der Welt gilt. Sie wurde von 1978 bis 2007 einmal jährlich hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen. Im Jahr 2008 wurde die Rally Dakar aufgrund einer Terrordrohung abgesagt. Von 2009 bis 2019 wurde sie aus Sicherheitsgründen in Südamerika durchgeführt. Seit 2020 findet sie in Saudi-Arabien statt.

 

Wir hätten die Koordinaten eigentlich nicht gebraucht, denn drei Tage vor dem Start sind auf der Hauptstrasse hunderte von beschrifteten LKWs, PWs und Camper unterwegs. Wir schliessen uns dem Konvoi an und fahren direkt ans Sea Camp. Wir passieren den ersten Check Point ohne Probleme. Wir beschliessen aber ausserhalb des Anlasses zu nächtigen um am nächsten Morgen ausgeschlafen einen Rundgang zu machen.


Mitten drin

Wir stehen früh auf, steigen in die Joggingschuhe und rennen zum Camp. Das Camp ist mit Polizeiautos umstellt und das Gelände ist komplett eingezäunt. Durch den Zaun sehen wir ein Dutzend Helikopter und Unmengen von Fahrzeugen jeglicher Art, Zeltstädte und Menschen. Mechaniker liegen unter Fahrzeugen, Motoren heulen auf und es ist ein riesen «Gewuschel».  Dani hat eher bedenken näher heranzugehen und will nicht von der Polizei weggewiesen werden. 

 

Solche Situationen reizen mich total und ich bin da komplett anders. Wir sind in SA und nicht in der Schweiz. Ich jogge grüssend durch die Polizisten und winke ins Camp rein als würde ich jemanden kennen und gehöre zu irgendeiner Crew. Wir traben dem Zaun entlang und es scheint wirklich so, dass sich da keine unbewachte Stelle gibt. An einem Seiteneingang allerdings starrt der Security, der den Eingang kontrolliert, in sein Handy und ich jogge einfach an ihm vorbei. Dani schaut mich nur entgeistert an und meint trocken, warum erstaunt mich das jetzt nicht. Es gibt immer einen Weg ans Ziel zu kommen. Beat the System!

 

Wir schlendern durch das Camp machen Fotos und unterhalten uns mit Fahrer und Mechaniker. Wir sind ja nun ein Teil der Rallyfamilie und erinnern uns, dass ja wirklich einen der KTM/Redbull Mitarbeiter kennen. Marcus haben wir auf der Fähre von Marokko nach Frankreich kennengelernt. Er hat den überdimensional grossen Redbull Ersatzteil LKW gefahren. Es war damals vor über 3 Jahren auch an irgendeiner Rally in Marokko. Die Welt ist so klein. Er zeigt uns den ganzen KTM/Redbull Bereich und wir dürfen die Motorräder bestaunen und die LKWs begutachten. Die sind Top mit Ersatzteilen, Pneus und so vielem mehr bestückt. Sie haben einen eigenen Truck dabei mit eingebauter Küche. Die Mannschaft isst nicht im Catering Zelt, da gibt’s wohl Budget ohne Ende. Liebe Alle, das es so bleibt, trinkt viel gesundes feines rosarotes Redbull.

Die KTM und GASGAS Fahrer der Redbull Teams sind alles Profis und gehören zu den weltbesten Fahrern überhabt, alle mit Aussicht auf den Gesamtsieg. Die meisten davon haben das Rally schon ein- oder mehrmals gewonnen. Wir bekommen von Sam Suterland , dem Vorjahressieger, persönlich eine Autogrammkarte mit persönlicher Widmung überreicht. Sam wird leider in diesem Jahr nach einem Sturz nach 50km mit einer gebrochenen Schulter das Rennen abbrechen müssen.

 

Für mich interessant, für Dani unglaublich spannend und er saugt alles auf. Dani ist früher selber auf seiner KTM im Rahmen der Schweizermeisterschaft Enduro Rennen gefahren. Ich stehe im Camp der Rally Dakar habe aber keinen Plan was das genau ist. Ich werde aber bis zum Start die Wissenslücke noch füllen.

 

Tess hat uns das Ersatzteil für unseren Kühlschrank aus Spanien mitgebracht.  Wir haben das elektronische Steuergerät von Dometic Deutschland, zu Hellgeth senden lassen und von dort via DHL weiter nach Valencia zu Tess. Sie arbeitet für das spanisches Rennteam «Joyride Race Service» und hat uns im Vorfeld zugesagt das Packet mitzubringen. Einer ihrer Motoradfahrer hat sich heute im Training verletzt und wird in Jeddah, der nächstgelegenen Millionenstadt, gerade operiert. So ein Pech und tut uns gerade für ihn und das Team sehr leid. Da hat er doch so hart trainiert und wohl auf vieles verzichtet und noch vor dem Start ist aus die Maus.

Eine Versandweg für Ersatzteile aus Europa zu finden, ist immer kompliziert. Es liest sich so einfach, war aber einmal mehr von unserer Seite ein kleines Meisterwerk. Via unzähligen Kanälen die wir angezapft haben, vielen Emails und Telefonaten haben wir diese Lösung gefunden. Muchas Gracias Tess!! Wer mal Lust hat uns ein Ersatzteil zu bringen, soll sich per Email melden. Wer weiss, vielleicht ergibt sich da ja mal eine Gelegenheit. Ein kleines Schlafplätzchen können wir sicher anbieten.

 

Der Durst nagt mittlerweile und ich finde eine Lounge in der es Wasser und Kaffee gibt. So haben wir mal den Durst gelöscht. Ich begebe mich danach ins Essenszelt, muss aber den nicht vorhanden Badge am Handgelenk vorweisen den sie Digital prüfen. Ich werde also nicht eingelassen. Den Badge bekommt man bei der Registrierung, wenn man eben dazu gehören würde. Nun Hunger habe ich immer noch als eine neue Taktik versuchen. Beim nächsten Kontrollpunkt habe ich den Bändel «vergessen» und gucke so lieb ich kann und bekomme eine Banane. Geht doch, danke lieber Helfer. Ich muss zwingend regelmässig essen um eine Unterzuckerung zu vermeiden. Denn sonst wird mir schwindelig und ich werde unausstehlich und das will niemand. 

 

Durch den Zaun, von innen nach aussen blickend, muss ich nochmals schnell erwähnen, erblicken wir ein Overlanderfahrzeug das wir kennen. Wir haben genug gesehen und verlassen durch den Haupteingang das Camp und gesellen uns zu Elena und Alessandro. Das Ehepaar aus Italien kennen wir aus Al Ula. (Who is Who) und beschliessen uns zu ihnen zu stellen. Dani joggt in der Hitze zurück und holt das Auto. Wir hocken zusammen und geniessen den Austausch. Meine praktisch nicht vorhanden Italienischkenntnisse waren offenbar so gut, dass mir Alessandro eines seiner Bücher geschenkt hat, oder sie waren so schlecht, dass er Mitleid hatte. Er ist Autor und hat schon vier Bücher geschrieben und veröffentlicht. 


Der Prolog

Wir schlafen unruhig, nicht nur wegen der Aufregung, die Fahrer und Mechaniker schrauben und testen die ganze Nacht hindurch. Die Dakar Geschichte ist ein Millionending. Eine richtig grosse Kiste, das Budget ist immens und offenbar Gösser als bei einem Formel 1 Rennen. Ob das stimmt, weiss ich nicht. 

 

 

 

Wir gehen den Tag langsam mit Yoga an, Frühstücken und bloggen. Am Nachmittag finde ich erneut einen Weg um ins Camp zu kommen, drehe eine Runde und gehe Duschen. Abends fahren Doro und Marc,(Who is Who) ein deutsches Paar aus Deutschland mit ihrem Steyr zu uns, wir verstehen uns auf Anhieb super. Heute findet der Prolog statt und wir müssen unseren Parkplatz räumen da die gleich hier starten werden. Eigentlich erstaunlich wie wenige Reisende und Zuschauer es generell hier hat. Gerade der Prolog, er verläuft neben dem Camp über 13 Kilometer, ist für Zuschauer gut einsehbar und kann man die über 450 Fahrzeuge hautnah erleben. Link

 

 

 

Der Prolog zählt bereits zum Rennen, dass total aus 14 Etappen besteht. In den 16 Tagen dauernden Rennen spulen die Fahrer und Fahrerinnen über 8500 Kilometern ab, wobei knapp 5’000km davon gewertet werden, der Rest sind Überführungsetappen, welche nicht zeitlich gemessen werden. Es gilt als eines der härtesten Langstrecken und WüstenRallys. In den Buggies und Autos sitzt ein Fahrer und ein Navigator. In den Trucks ist noch ein Mechaniker dabei. Die wirklichen Helden sind für mich aber die Bike- und Quadfahrer, die Navigation und Konzentration fürs Fahren unter einen Hut bringen müssen. Die Spitze der Helden machen die Privatfahrer, die sogenannten Kistenfahrer aus. Wo die Teamfahrer nach dem Rennen das Fahrzeug beim Mechaniker abgeben kann und duschen geht, flickt der Privatfahrer erst seine Maschine selber mit den zwei Kisten Werkzeug und Ersatzteile die ihm zur Verfügung stehen.

 

 

 

Es ist für mich ein logistisches Meisterwerk was die Organisation da bewerkstelligt. Wir stehen direkt, zusammen mit einigen Teams und Polizeiautos direkt am Rand der Piste. Die Teilnehmer rasen in unglaublichen Tempos an uns vorbei. Wir haben so viel Spass und wissen gar nicht wohin wir die Kameras richten sollen. Auf die Hubschrauber direkt über uns, auf die Fahrer oder den Sand der da durch die Luft fliegt. Ein Spektakel der Superlative. Es hat uns so gut gefallen, dass wir beschliessen hier zu übernachten und morgen versuchen einen guten Platz an der Rennstrecke für die erste Etappe (Stage 1) zu ergattern.


Stage 1 in der Wüste

Wir haben mittlerweile via Elena die Etappenrouten bekommen. Die genauen Koordinaten werden aber erst 3 Stunden vor dem Start, als um 5 Uhr morgens bekannt gegeben. Anhand der bereits vorhandenen Informationen strecken Marc und Dani ihre Köpfe über der Karte zusammen und suchen einen geeigneten Punkt für den morgigen Tag. Man eignet sich auf eine Gruppe riesiger Dünen nordöstlich von Badr. 

Wir sind heute um Sieben los. Wir wollen uns an eine hohe Sanddüne stellen um von dort oben das Rennen zu geniessen. Nach zwei Stunden Fahrt erreichen wir die hohen Dünen. Nur welche, es hat einige, ist nun die richtige? Unsere Geduld wird belohnt und nach ca. einer Stunde sehen wir in der ferne den ersten Motorradfahrer. Schnell ins Auto und so nah wie möglich ans Geschehen fahren. Wir laufen die steile Düne hoch und stellen uns genau auf den Grat und schon kommen weitere Fahrer in horrendem Tempo auf uns zu. Wir sind hautnahe dabei und erstaunlicher Weise fast die Einzigen. Der Sand fliegt uns nur so um die Ohren und die Geräuschkulisse enorm. Leider kriegen wir von Markus die Nachricht, dass sich der Topfavorit von Redbull Sam Suderland, von dem wir das Autogramm bekommen haben, verletzt hat. Schulter gebrochen und Becken geprellt. Mich wundert das nicht. Jedes Jahr sterben am Rennen auch Teilnehmer, vorwiegend Motorradfahrer. Bin ich erstaunt? Nein.

 

Es stehen hier auch getunte Minis am Start die Privatpersonen mieten können. Eine Teilnahme kostet 1.2 Millionen, also «nur» schlappe 600’000 Euro pro Person. Die Verschleissteile sind inklusive, allfällige defekte Ersatzteile müssen separat bezahlt werden. Ich dachte ich gebe euch die Infos weiter vielleicht ist ja jemand von euch interessiert. 

Der e-Tron Hybridaudi, von denen drei am Start sind, wird einer von Carlos Sainz Senior gelenkt. Er ist einer der Anwärter auf den Sieg und zweifacher Rally-Weltmeister. Das Audi Team steht mit dem grössten Budget am Start. Da steht viel auf dem Spiel. 

 

Ein blauer Heli kreist sehr unangenehm tief über unseren Köpfen. Wir denken es werden Filmaufnahmen gemacht sehen aber keine Kameras. Ob wir den Platz aus Sicherheitsgründen verlassen müssen? Er landet direkt neben uns und die Passagiere und Pilot kommen direkt zu uns. Wir witzeln nur so, da kommen die ultrareichen Ölbarone aus Saudi. Kaum stehen sie neben uns auf der Krete kommt der Top Audi Pilot angerast und der junge Mann sagt nur «das ist mein Vater der den Audi fährt». Wir fragen ihn, ob er auch Rally fährt. Er verneint und meint er fahre Circuit. Als sie wieder abgehoben und in den Himmel verschwinden sagt Marc nur so, das Gesicht sei ihm gänzlich unbekannt er sei sicherlich als Testfahrer unterwegs. Abends beim Googlen stellen wir fest, dass es sich dabei um Carlos Sainz Junior dem Ferrari Formel 1 Pilot handelte.

Nun ja kein Ölbaron aber doch ein VIP mit seiner Mama und Freundin. Mir sagen all die Namen nichts. Mich interessierte im Vorfeld die Rally nicht und Formel 1 finde ich eher etwas doof. Aber so live dabei zu sein hat doch schon was und ich werde die Rally sicher bis zum Schluss im Netz verfolgen. Vor allem Matthias Walkner drücken wir die Daumen, der KTM Fahrer, den wir kennenlernen durften und den ich in unserer Kühlschrank Odyssey auch angeschrieben hatte.

 

Mittlerweile ist es stockdunkel und es kommen immer noch Fahrer die sich im Dunkeln durch die Wüste wagen. Zum Teil scheinen sie etwas ratlos und je später der Abend desto mehr weichen sie vom Kurs ab. Wir beschliessen unten an der Düne zu stehen und mit Lichtern den Fahrern den Weg an zu zeigen. Wurde ich Dani so navigieren müsste ich wohl heimfliegen.

 

Sie brausen oft hupend an uns vorbei. Schon im Pyjama und mit der Zahnbürste in Hand realisiere ich, dass einer inmitten der Abfahrt wohl ein technisches Problem hat. Also nochmals in kurzen Hosen, Todsünde in Saudi aber es sieht ja niemand, hoch joggen um nachzufragen wo es klemmt. Marc begleite mich und die beiden Holländer schildern uns das Problem. Ihr Anlasser hat den Geist aufgegeben. Ich frage die Zwei warum sie das so gelassen nehmen und sie meinen nur sarkastisch sie haben die Frustphase bereits überwunden und seien total KO. Doro und Marc machen Ihren Truck ready und ziehen die Beiden durch den Sand bis sich der Motor ohne Anlasser starten lässt. Die Helden der Nacht, unsere lieben Nachbarn. Bis um 01.30 kommen immer noch vereinzelte Trucks und Buggys den Hang runter. Die haben noch 3 Stunden Fahrt vor sich bis zu ihrem Bett. Eigentlich könnten die doch gleich im Auto sitzen bleiben bis zum Start, die paar Minuten lohnt es sich ja gar nicht mehr auszusteigen. Sowas erlebt man nur einmal im Leben. 

 

Ach ja vor lauter Rally, der Kühlschrank geht wieder. Ein grosses Halleluja hallt mir durch die Kehle. 


Danke, dass du bis zu Ende gelesen hast. Wir freuen uns immer wieder über einen Feedback von dir. Lass es uns wissen, was du denkst und mach uns Vorschläge, über welche Themen wir berichten sollen.