Blog #23, Marlene (Oktober 2022, Jordanien)

Zuerst ein paar Fakten

Jordanien ist ein arabisches Land am östlichen Ufer des Jordans und ist, touristisch betrachtet, bekannt für antike Monumente, riesige Naturschutzgebiete und Badeorte. Das Land ist eine konstitutionelle Monarchie, welche von König Abdulla II regiert wird. Konstitutionell, weil die Macht des Königs, im Gegensatz zur absoluten Monarchie wie in Saudi-Arabien, durch eine Verfassung geregelt und beschränkt wird. Auf einer Fläche von 89.342 km2, also gut doppelt so gross wie die Schweiz, leben rund 10 Millionen Menschen. Jordanien ist ein Land der Kontraste. In der Hauptstadt Amman glitzern die Wolkenkratzer um die Wette, in der Wüste leben die Beduinen wie vor 100 Jahren in Zelten. Die Gusseisenkanne gefüllt mit Schwarztee und frischer Minze, steht immer bereit auf der offenen Feuerstelle. Sie Reiten auf ihren Kamelen über die Dünen, allerdings mittlerweile mit einem Smartphone am Ohr. Je länger je mehr, wird das Kamel durch einen Toyota Hilux oder Landcruiser ergänzt oder sogar ersetzt. In Jordanien fliesst nicht überall sauberes Trinkwasser in die Haushalte. Dieses kann in grossen Behältern an zentralen Wasserfilterstationen abgefüllt werden. So befüllen auch wir unseren Wassertank. 100 Liter kosten zwischen 5.- und 10.- CHF. Zudem verteilen alte Mercedes Benz Lastwagen mit grossen Wassertanks das kostbare Gut im ganzen Land, insbesondere zu den Beduinen in die Wüste.

Grenzübertritt von Israel

An der Grenze hat es viele Touristen, die einen Tagesausflug mit dem Bus, z.B. nach Petra, gebucht haben. Wir stellen uns in die Menschenschlange. Nebst unserem Unimog scheint es keine weiteren Fahrzeuge mehr zu geben, die über die Grenze fahren. Die Touristen bewegen sich zu Fuss über die Grenze und steigen in Jordanien in einen bereit gestellten Bus. Es ist immer eher ein Nachteil für uns, wenn wir das einzige Fahrzeug sind. Da haben die Zöllner meist viel Zeit und kontrollieren alles sehr genau.  Nicht so hier, alles sehr entspannt und freundlich. Wie immer ist das Übertragen der Fahrzeugdaten des Schweizer Fahrzeugausweises, wie Gewicht, Jahrgang, Fahrzeugtyp, usw., in das arabische System das grösste Problem.

 

 

Nach einer rekordverdächtigen guten Stunde fahren wir bereits in Jordanien ein. Ach, sind wir gerade erleichtert. Wir fahren direkt nach Akaba um neue SIM Karten zu kaufen und geniessen den ersten frischen Mango Saft am Strand. Die Küste hier gefällt uns um einiges besser als auf der gegenüberliegenden Seite. Vis à vis gucken uns die Israelis und die Ägypter beim Trinken zu und etwa 10 Kilometer südlicher sind die Saudis. Wir sind am 4 Ländereck – oder so.


Vorbereitung auf die Wüste

Wir suchen und finden etwas ausserhalb der Stadt einen Stellplatz. Hier im Land kann man wieder parken wie und wo man will. Diese Freiheit ist für uns enorm viel Wert. Wir legen uns an die Beach und geniessen den Tag im Schatten mit Lesen und Baden. Zuerst möchten wir ins Wadi Rum, dem grössten Naturschutzgebiet in Jordanien mit einer Fläche von 740 km2. Seit 2011 ist die Wüste aus Sand und riesigen Felsformationen aus Sandstein und Granit auf der Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Im Dorf Wadi Rum wohnen mehrere hundert Beduinen die ihr Einkommen mehrheitlich durch den Tourismus erzielen. International bekannt wurde die Region durch das Buch «Die sieben Säulen der Weisheit» von T.E. Lawrence. Der Spielfilm Lawrence von Arabien (1962 gedreht und mir gänzlich unbekannt) sowie einige Szenen von Star Wars «The Rise of Skywalker» wurden im Wadi gedreht. Wir füllen Wasser sowie Diesel auf, bevor wir uns in die Wüste begeben. Die offline Karten sind geladen und wir bereit für eine Durchquerung. Der Kühlschrank ist immer noch angereichert mit frischem Gemüse aus Israel.

Wie kommt man ins Wadi Rum?

Beim ersten Versuch ins Gebiet zum Wadi zu fahren scheitern wir nach wenig Metern bei einem Kontrollposten. Es ist mir unklar ob es sich um Militär oder Polizei handelt. Ist am Ende auch egal, denn wir werden unfreundlich zurechtgewiesen, dass wir nur mit einem Guide ins Wadi dürfen. Das hat uns gerade noch gefehlt. Ein Guide, kommt gar nicht in die Tüte. Die Mundwinkel zeigen kurz nach unten. Eine neue Lösung muss her. Auf der Karte sucht Dani nach weiteren Möglichkeiten. Frisch motiviert und zuversichtlich fahren wir weiter zur nächsten hoffentlich letzten Variante. Ein kleines Schottersträsschen führt uns langsam in die gewünschte Richtung. Unterwegs kreuzen wir ein Militärfahrzeug beladen mit winkenden Soldaten, welche unser Ziel wissen möchten. Dani gibt das nächste Dörfchen Tutun an und sie nicken und lassen uns weiterfahren. 

 

Wir passieren einige verlassene Wehrtürme und Kontrollhäuschen und werden immer zuversichtlicher, dass wir unser Ziel bald erreichen werden. Nach etwa einer durchgeholperten Stunde endet der Weg an einer Strassensperre. Militär Checkpoint, oh no! Ausser Spesen nichts gewesen. Ein Uniformierter in Tenue Vierfrucht mit umgehängtem Maschinengewehr kommt angerannt gefolgt von einem Mann im grünen Trainer (oder ist es ein Pyjama?) und ein weiterer in Unterwäsche. Da kommen offenbar selten Besucher vorbei. Wir erklären ihnen, dass wir nach Tutun wollen. Sie verlangen unsere Pässe und Funken aufgeregt mit irgendjemanden. Es gibt hier kein Handyempfang. Wir machen ihnen verständlich, dass wir auch umdrehen können. Das kommt für sie nicht in Frage, wir müssen geduldig warten. Die andere Seite am Funkgerät gibt klare Anweisungen. Wir warten auf ein militärisches Begleitfahrzeug, welches uns zum Posten in Tutun eskortiert. Die Pässe bekommen wir nicht retour, was etwas irritiert. Wir machen uns in dieser Situation allerdings keine Sorgen, es ist alles sehr friedlich und unverkrampft.  

 

Am Posten angekommen werden wir vom Kommandanten begrüsst und darauf hingewiesen, dass wir uns in der «Dangerzone» befinden, also unmittelbar an der Grenze zu Saudi-Arabien. Das war uns schon bewusst, auch dass dies immer mit einer gewissen Gefahr begleitet ist. Wir wollen dennoch ins Wadi rein – ohne Guide! Im Nachhinein haben wir erfahren, dass das Dorf Tutun früher zu Saudi-Arabien gehörte. Die beiden Länder haben einige Meter Land getauscht und die Saudis haben etwas mehr Strandfläche am Roten Meer erhalten. 

 

Wir werden angewiesen Platz zu nehmen und zur Sicherheit wird ein diensthabender bewaffneter Mann an unsere Seite gestellt. Seine Waffe hat allerdings kein Magazin eingesetzt was uns doch erleichtert. Immer mehr Männer setzen sich dazu. Noch keine 24 Stunden im Land und schon sitzen wir in der Patsche, na Bravo Madahin, das muss man auch zuerst mal schaffen. Wir bekommen einen frischen ultrasüssen, heissen Cay in die Hände gedrückt. Dankbar nehmen wir an und werten dies als freundliche willkommene Geste, dass mir nach dem ersten Schluck fast die Zähne zusammenkleben ignoriere ich. Wir offerieren im Gegenzug israelische Datteln, was gerne angenommen wird.

 

Nach langen Minuten kommandiert der Boss seine Truppe zusammen, denn das Fahrzeug muss noch inspiziert werden. Die Fahrerkabine wird so gründlich und lange durchsucht, dass mir Böses schwant. Waren wir doch so schnell ohne grosse Durchsuchung eingereist, dass es doch bitte nicht hier aus eigenem Verschulden doch noch zur Grosskontrolle kommt. Ich bete innerlich und lasse Dani mal erklären und zeigen. Die seitlichen Klappen öffnen und noch in die Wohnkabine gucken. Es scheint, dass es hier mehr um Neugierde geht als um Kontrolle. Meine Gebete wurden erhöht und nach einigen Minuten kommen alle wieder aus unserer Wohnkabine raus. Nun erhalten wir einen Daumen hoch, alles OK. Der diensthabende Offizier gibt uns unsere Pässe zurück. Eine entspannte Vorstellungsrunde beginnt. Einer der Männer erzählt uns, dass sein Vater 3 Frauen hat und er 16 Geschwister. Du meine Güte, ein aktiver fortpflanzungswilliger Mann! Er erklärt uns lachend, dass er nur eine Frau und vier Kinder hat. Nun kommt die Frage aller Fragen, wo wir dann nun hinwollen. Wir erklären ihnen, dass wir auf dem Weg ins Wadi Rum sind. Kein Problem, sie zeigen uns die allgemeine Richtung und wir ziehen ohne Guide und mit einem Smile auf dem Gesicht von dannen.


Endlich im Wadi

Wir folgen unseren Tracks auf der Karte und fahren immer weiter in das Gebiet ein. Die Landschaft verändert sich nach und nach. Es hat zwar einige Fahrspuren im Sand, sind jedoch absolut alleine hier. Keine Touristen, keine Beduinen, keine Kamele, nichts ausser wir, viel Sand und fantastische Felsformationen. So etwas haben wir auf allen unseren Reisen davor noch nie gesehen. Wir bringen unsere Münder nicht mehr zu und fahren staunend über den Sand. Es ist schon spät und wir finden schnell einen passenden Platz für die Nacht.

 

Beim Nachtessen klopfen wir uns verbal auf die Schultern und finden uns gerade supercool, wie wir das heute gemeistert haben. Es ist absolut Still und wir sitzen unter dem glasklaren nachtschwarzen Sternenhimmel zählen die Sternschnuppen und hoffen, unsere Wünsche gehen in Erfüllung. Welche Wünsche? Wir schliessen unsere Münder wieder und legen uns erschöpft vom Erlebten ins Bett.

 

In der Nacht geht das Quecksilber auf ca. 10 Grad hinunter, was uns angenehm schlafen lässt. Am nächsten Morgen, wir haben es nicht geträumt, erwachen wir in derselben Kulisse. Die wärmenden Sonnenstrahlen motivieren uns zu einer intensiven Yogasession. Danach gibt’s wie immer einen riesen Brunch und nach einer kurzen Lagebesprechung pflügen wir durch den Sand. Wir entscheiden uns, den ersten Punkt den wir im Vorfeld markiert haben, anzupeilen. Was es ist, wissen wir nicht mehr. Lassen wir uns überraschen.

 

Da ragt eine natürliche entstandene, etwa 20 Meter hohe, Steinbrücke vor uns empor. Wie konnte dieses Gebilde entstehen, fragen wir uns. Hält die, wenn wir da hinaufklettern? Ist eine weitere Frage, die uns gerade beschäftig. Ich klettere barfuss hoch, da ich in den Flip-Flops unterwegs bin. Sie hält! Wir sind hier nicht mehr alleine und trotzdem erstaunt, wie wenige Touristen unterwegs sind. 

Wir fahren weiter zum nächsten Höhepunkt. Das ist wörtlich zu verstehen, denn die nächste Steinbrücke ist auf dem Gipfel eines Sandsteinmassivs zu sehen, etwas 300m über uns. Es stehen Menschen oben auf dem Übergang, also gibt es einen Weg. Nix wie hoch. Wir fragen Beduinen die im Schatten liegen und ihren Tee schlürfen. Sie zeigen uns den Einstieg und geben uns zu verstehen, dass es sehr schwierig ist und man klettern muss. Nach einer kurzen internen Besprechung tausche ich meine «Gummischlarpen» gegen Wanderschuhe. Kurz zusammengefasst, ich bin über mich hinausgewachsen und habe meinen ganzen Mut benötigt um die Wände ungesichert zu bezwingen. Die Route war nicht immer offensichtlich und wir mussten ein paar Mal einige Meter retour steigen um weiter zu kommen. Dani entdeckt auf einer der falsch eingeschlagenen Route eine schwarz/weiss, schön gemusterte, Schlange. Wir sind beide erstaunt, dass diese keine Anstalt macht zu flüchten was zur Annahme drängt, dass das Ding giftig ist. Dani macht ein Foto. Ich denke mir innerlich nur so: Wir greifen hier haltesuchend in so viele Löcher rein, hoffentlich sind da nicht noch mehr. 

 

Retour bin ich stolz wie Anton und habe ein breites Honigkuchenpferd grinsen im Gesicht. Dani hat mich sehr motiviert und unterstützt, ohne seine Hilfe hätte ich umgedreht. Merci Dani, das war grosse Klasse! Wir sind ein tolles Team auch in solchen Situationen.


Ali der "Beduine"

Die Beduinen, welche hier in Toyota Hilux die Touristen herum chauffieren halten oft an, wenn sie uns sehen und stellen die üblichen Fragen, so auch Ali. Ali spricht sehr gut Englisch, strahlt und bittet uns ihn heute Abend in seinem Beduinen-Camp zu besuchen. Er erwarte uns um 16.00h. Als wir einfahren in das zwischen Felsen eingebettete, hübsche Zelt Hotel werden wir mit offenen Armen empfangen und herzlich liebevoll begrüsst. Es erscheint uns nicht gekünstelt, ohne kommerziellen Hintergründe, einfach so, weil er sich für uns interessiert. Wie immer gibt es einen Cay und er zeigt uns Stolz seinen Besitz. Nach vielen Tagen staubschlucken, sind wir mehr als happy duschen zu dürfen. Wir zeigen Ali und seinen Gästen unser Schlangenfoto und ihm fallen fast die Augen raus. Es gibt 3 giftige Schlangen in der Gegend. Eine davon sieht man nur sehr selten und nach einem Biss naht das Ende innerhalb kurzer Zeit. Welche denkt ihr ist auf dem Foto? Ja, genau diese! Ali und sein Freund haben so ein Exemplar noch nie live gesehen und wollten genau wissen wo wir sie entdeckt hatten. Via Instagram habe ich später den Tipp bekommen, dass es sich um eine Palestinaviper handeln könnte.

 

Ein grosses messingumrahmtes Doppelbett wird unter den freien Himmel gestellt und wir schlafen später in der lichtfreien, gespenstig dunkeln Nacht. Er hat noch andere Gäste aus Spanien und Deutschland und kocht für uns alle ein sehr leckeres traditionelles Nachtessen. Am Lagerfeuer erzählt er uns spannend Beduinengeschichten, singt und am Ende werden wir drei Frauen noch mit einer Tanzeinlage der Männer überrascht.

 

Vor dem Einschlafen hören wir unglaubliches Gekreische hinter uns allerdings wir sind zu faul um nachzufragen. Wird uns schon niemand auffressen oder beissen. Das kreischen stammt, so erfahren wir am Morgen, vom Wüstenfuchs der in der Nacht im Camp seine Spuren hinterlässt. Beim Betten bemerken wir, dass wir auf einer «Spyder Man» Wolldecke geschlafen haben und zugedeckt waren mit einer von «Tom und Jerry». Den Rest vom Tag fühle ich mich immer ein wenig inspiriert von der Spyder Man Bettdecke – armer Dani.

 

Nach einem reichhaltigen Frühstück mit Halva (Süssigkeiten aus Tahinipaste, Erdnüssen, Mandeln, Pistazien), Hummus, rohem Gemüsesalat und Shakshuka (Tomaten, Eiern und Zwiebeln) fahren wir kugelrund in die unendliche Weite. Bevor wir abreisen dürfen, erhalten wir noch so viele Geschenke wie selbst gepflückten Tee, Hummus und Gemüse und ich erhalte ein wunderschönes rotes traditionelles Stirnband der Beduinenfrauen. Steht mir gut so finde ich. Falls ihr Ferien in Jordanien plant, besucht den liebenswerten Ali. (www. wadirumthesecondtime.com)

 

Im Khazali Canyon betrachten wir die 2800 Jahre alten Petroglyphen (Felsbilder) von Menschen, Antilopen und Kamelen. Es scheint ein beliebter Ort zu sein und wir verlassen ihn schnell wieder. Die Bilder, sie mögen von grosser archäologischer Bedeutung sein, sehen jedoch aus als wären diese von unserem Sohn Luca in der Primarschule in die Felsen geritzt worden. Luca, warst du schon mal hier?

 

Wir möchten uns das Dörfchen Rum ansehen und unsere WhatsApp/Email mal checken, im Wadi gibt es sonst kein Handyempfang. Die Siedlung kann man, muss man allerdings nicht besuchen. Es wimmelt hier von Touris die in Massen von den Busen oder Mietautos in die Toyotas umsteigen. Erstaunlich allerdings, wie sich die Vielzahl an Menschen in den Weiten der Wüste verteilen. 


Petra

Unser nächstes Ziel ist die Felsenstadt Petra wo Szenen aus den Filmen von Indiana Jones gedreht wurden. Die Felsenstadt gehört seit 1985 ebenfalls zum Weltkulturerbe der UNESCO und seit 2007 zu den neuen sieben Weltwundern (Chichen Itza in Mexiko, Chinesischen Mauer, die Redentor-Statue in Rio de Janeiro, Kolosseum in Rom, Machu Piccu in Peru und dem Taj Mahal in Indien). Petra ist eine Ruinenstätte und war die Hauptstadt des Reichs der Nabatäer. Das Volk baute hier mehrere hundert monumentale Grabtempel, die direkt aus den Felsen gemeisselt wurden. Die riesigen, teilweise 20m hohen Säulen, wurden nicht aufgebaut, sondern als Ganzes aus dem Felsen gehauen – unglaublich! Glaubt mir, wir stehen mit staunenden glänzenden Augen und offenen Mündern vor den vor über 2000 Jahren entstanden Monumenten. Seht euch die Bilder an und ihr versteht uns. Übrigens hat 1812 der Schweizer Forscher Johannes Burckhardt, als Araber verkleidet, Petra erkundet und für den Westen «wiederentdeckt».

 

Die Pforten öffnen schon um 6 Uhr in der Früh und wir hüpfen voller Vorfreude relativ locker zeitig aus den Federn. Wie wir auf unserer Karte, die wir an der Kasse erhalten haben, erkennen können, ist das Gebiet sehr gross. Gut haben wir ein 3-Tages Ticket gekauft. Es gibt hier drei Hauptrouten und unzählige Nebenrouten. Ab dem späteren Morgen häufen sich die Touristen und wir weichen auf die Nebenrouten aus.  Treppenstufen hoch und runter. Es gibt so viele tolle Aussichtspunkte und versteckte Grabmäler die wir besteigen bzw. besichtigen können. Der Wegrand ist mit kleinen schmucken Teestuben gesäumt. Wir rasten und trinke einen zuckersüssen Tee. Wir wollen zahlen und stellen fest, dass wir die Brieftasche wohl im Auto vergessen haben. Der junge Beduine grinst nur und nimmt begeistert unser Angebot in Datteln zu bezahlen an. Er möchte auch noch eines meiner vielen Armbändern. Viele Bänder sind Erinnerungsgeschenke meiner Freunde aus der Schweiz oder von Reisebekanntschaften. Ich schwatze ihm das eine, dass ich selber gekauft hatte, auf. Er strahlt.

 

Nach 3 Tagen und fast 70 km wandern sind wir glücklich, zufrieden und total KO. Bevor wir uns in die Einsamkeit verdrücken und weiter ziehen, noch ein Hummus und Falafel geniessen. Klar, steht das ausgesuchte kleine Restaurant oben auf dem Hügel. Wir spüren unsere Schienbeine, dennoch hat sich der Aufstieg gelohnt. Wieder retour in der Talsohle gönnen wir uns ein letztes Mövenpick Glace und sind gestärkt für neue Abenteuer. Wir fahren los und nach den ersten Kurven werde ich unsicher, ob ich mein Wasserkefirglas richtig fixiert habe. Nein, habe ich nicht! Glücklicherweise hat sich der Inhalt ins Lavabo gelehrt und das Glas ist unbeschädigt. Es scheint, als ist mein Hirn im selben Zustand wie die Beine. Ich brauche eine kurze Verarbeitungspause. 


Die Oase in der Schlucht

Am Folgetag erreichen wir das Wadi Ghuweir. Es ist eigentlich schon zu spät um das Wadi zu erkunden. Egal, die Sonne geht um 18.00 unter, bis dahin bleiben uns noch 3 Stunden. Wir ziehen die Wanderschuhe an und los geht’s. Viele Wanderer kommen uns bereits wieder entgegen. Wir lassen uns nicht beeindrucken und geniessen die einzigartige Schlucht. Die Felsen ragen in der Schlucht zeitweise über 100m links und rechts in den blauen Himmel. Manchmal blinzelt die Sonne in die Schlucht. Wir geben Gas und hüpfen gekonnt durch das Wasser und überwinden jegliche Hindernisse in Rekordzeit. Die Strapazen haben sich einmal mehr gelohnt. Wir kommen um eine letzte Kurve und stehen im Paradies. Palmen so weit das Auge reicht. Wasserpools laden zum Baden ein und die Vögel zwitschern von den Bäumen. Es ist hier herrlich kühl und wir sind die Einzigen. Beschwingt setze ich mich auf die Schaukel die zwischen Palmen befestigt ist und fliege johlend kreischend durch das Tal. Die Zeit reicht, um noch ein wenig zu verweilen bevor wir uns retour begeben. Wow, was für eine coole Wanderung! 

 

Nach einer ruhigen Nacht in der Schlucht fahren wir erholt in Richtung Totes Meer und sehen unterwegs viele Beduinen Zelte, ihre Bewohner, Ziegenherden und gewaschene Wäsche die im Wind flattert. Nicht überall ist Strom vorhanden. Hier wird die Wäsche noch von Hand gewaschen und gekocht draussen auf dem Feuer. Wir sehen hier ein Bild des ursprünglichen Jordanien, des bescheidenen Lebens und haben das Gefühl, die Kinder wachsen glücklicher, wilder und unkontrollierter auf. Das Bild kann trügen, wir sehen zwar ihre leuchtenden Augen, spüren jedoch nicht was in ihren Herzen vorgeht. Es erscheint uns, dass die Beduinenfamilien versuchen ihre Kultur und ihre Werte zu bewahren. Sie kleiden sich im knöchellangen meist grau oder braunen Thwab und tragen traditionell das rot/weisse Beduinenkopftuch. Es stehen überall Esel und Maultiere herum, ein immer noch wichtiges Transportmittel in die unwegsamen Gebiete. Klar, sehen wir auch hier Pick-ups allerdings ich bilde mir ein, mehr Esel als Auto auszumachen. 


Canyoning im Wadi Mujib

Ein weiterer abenteuerlicher Höhepunkt auf der Reise durch Jordanien ist das Wadi Mujib, eine 70 km lange Schlucht welche unmittelbar beim Toten Meer endet. Allerdings sind wir die Schlucht fälschlicherweise zuerst von der Seite am anderen Ende angefahren. Ein Angestellter des Wasserkraftwerks hat uns auf den Fehler aufmerksam hingewiesen. Wenden und wir begeben uns retour auf den, 120km langen Weg ans Tote Meer.

 

Es ist der längste und tiefste Canyon in Jordanien. Wir starten mit einer, im Preis inbegriffenen, defekten Schwimmweste in die mit Wasser gefüllte Schlucht. Es startet harmlos und wir waten durch knöcheltiefes Nass. Bald stehen wir bis zu den Knien im Wasser und werden von wohl hungrigen Fischen in die Beine gezwickt. Wir ignorieren dies wie lästige Fliegen und waten weiter.  An einigen Stellen müssen wir uns an waghalsigen Seilkonstruktionen entlang kämpfen denn unsere Füsse (auch Danis) erreichen den Grund nicht mehr. Meine grosse unpassende Schwimmweste habe ich statt um den Oberkörper irgendwo störend auf Höhe meiner Ohren.

 

Wir klettern und ziehen uns an Seilen entlang über Wasserfälle hoch und finden es gerade sehr aufregend. In der Schweiz wären solche Konstrukte untersagt und wir müssten mindestens einen Helm und eine geprüfte unversehrten Schwimmweste tragen. Runter geht’s an einigen Stellen auf dem Hintern wie auf einer Rutschbahn über Steine oder wir klettern via Leitern wieder tiefer. Hat richtig Spass gemacht und schade ist es schon vorbei. Wettertechnisch haben wir unglaubliches Glück. Die Sonne scheint jeden Tag aus einem meist wolkenlosen blauen Himmel und Temperaturen im wohltuenden Bereich zwischen 23 und 25 Grad. Die Regenzeit kann für unseren Geschmack noch etwas zuwarten.


Madahin in Madaba

Madaba, eine für ihre Mosaike bekannte Stadt besuchen wir auf der Route nach Amman. Der Abstecher lohnt sich und wir besuchen einige der Sehenswürdigkeiten. Im Gegensatz zu Petra sind unsere Augen hier meist auf den Boden gerichtet um die Mosaike zu bestaunen. Den Nachmittag verbringen wir Tee trinkend und lokale Süssigkeiten probierend. Es reihen sich Cafés, Souvenirshops und Bäckereien Tür an Tür den Sehenswürdigkeiten entlang.  Alles herausgeputzt und arg touristisch trotzdem hie und da auch mal ganz lustig anzusehen. Wir sind am Ende auch Gäste in diesem herrlichen Land und reihen uns bei einigen speziellen Orten in die Touristenströme ein. Wir waren uns im Vorfeld nicht bewusst wie viele Touristen sich in diesem Land befinden. Es scheint, ein Trend-Reiseziel zu sein, denn so viele Reisecars sind wir auf unserer Reise noch nie begegnet. OK, es liegt vermutlich auch daran, dass das Thema Corona gegessen scheint.


Essensgewohnheiten in der Hauptstadt

Der Besuch der Hauptstadt Amman in welcher mehr als 4 Millionen Menschen ansässig sind, ist eine der grössten Städte im nahen Osten. Wir fahren direkt zur Zitadelle auf dem Hügel liegend und besichtigen die Sehenswürdigkeiten, die Ruinen der Umayyaden an, den Herkules Tempel aus der Antike und frönen dem schönsten Wetter und der grossartigen Aussicht auf das Römische Theater und die Stadt. Abends knabbern wir, wie oft, in einem kleinen Restaurant ein Hummus/Falafel und irgendwas mit Auberginen. Das könnte ich fast jeden Tag verdrücken. Bei Einladungen, die wir auch hier zahlreich erfahren, isst Dani vorwiegend eine Portion Fleisch in irgendeiner Form. Es gibt hier Fleisch in allen Varianten. Ich ernähre mich in solchen Fällen zuweilen mit Beilagen wie Grillzwiebeln, Grilltomaten und viel frischem weichem Pita-Brot. Auch hier werde ich unermüdlich gefragt warum ich kein Chicken esse. Huhn ist ja kein richtiges Fleisch. Die Frühstückseinladungen sind eher mein Ding, denn es gibt meist Hummus, Falafel und warme Tomatensauce mit Zwiebel, Kräutern und ev. Eiern.

 

Gespräche übers Essengepflogenheiten in anderen Kulturen sind ja oft amüsant. Ich werde gelegentlich als «Rabbit» betitelt. Themen wie Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sowie über gewisse Randgruppen sind insbesondere mit männlichen Einheimischen für mich als Frau nicht einfach. Ich presse schon hie und da durch schmale Lippen meine Kommentare durch. An diesen Stellen angekommen, merkt man die diametral auseinanderliegenden Weltbilder zu diesen Themen. Am besten wechselt man das Thema schnell, wenn der Besuch angenehm enden soll.

 


Royal Tank Museum

Wir füllen in der Grossstadt die Vorräte auf und kaufen auf dem Markt frisches buntes in Hülle und Fülle. Ich bin jeweils erleichtert, wenn wir wieder heil und unfallfrei auf einem Parkplatz angekommen sind. Meine angespannten Beifahrernerven werden hier aufs gröbste geprüft und ich muss mich immer wieder zwingen tief in den Bauch zu atmen um mich nicht mit Schnappatmung durch das Chaos zu quälen. An Entspannung ist nicht zu denken. Ich kralle mich periodisch an meine Armlehne auf der rechten und der Kühlbox auf der linken Seite. Dani kurvt, hupt und schlängelt uns wunderbar gekonnt durch das Gewühl von Fahrzeugen und Fussgängern.

 

 

Dani möchte unbedingt ins «Royal Tank Museum». Ne, muss jetzt nicht wirklich sein, oder? Eine erstaunlich grosse, gepflegte und gut bestückte Panzer Ausstellung in Amman. Mir machen diese riesen Dinger mehr Angst als, dass ich die Ausstellung toll finde. Eine Erfindung von Männern für Männer welche Soldaten, meist männliche, in den Krieg senden um damit zu töten. Teilweise wurden ganze Schlachtfelder optisch und akustisch nachempfunden. Sehr aufwändig gemacht und aus meiner sich zu realistisch umgesetzt. Ich verlasse den Raum mit schnellen Schritten und bin froh, dass sich Dani endlich lösen kann und mit einem Big Smile das Museum verlässt.

 


Und wieder die Griechen und die Römer

Nach einem kurzen Aufenthalt in An Salt, einer Stadt eingebettet liegend in 3 Hügel geht’s weiter in Richtung Jerash. Jerash war eine grosse römische Metropole im Orient. Vor erst etwa 80 Jahren wurde die antike Stadt archäologisch untersucht und rekonstruiert. Wir staunen nicht schlecht über die immense Grösse der Bauwerke. Es gibt ein Hippodrom, wir können uns bildlich vorstellen, wie man mit den Streitwagen um die Wette fuhr. Ben Hur war leider nicht anwesend. Triumphbogen, Artemistempel, Zeustempel, ein Römisches Theater mit 15.000 Sitzplätzen und unzählige Säulen säumen die antiken Strassen und zieren die Tempelanlagen. Wir haben noch nie so viele mächtige Säulen gesehen. Es hat sich sehr gelohnt den Abstecher zu machen, denn es war deutlich mehr als nur alte Steine ansehen, gäll Dani. Wir waren schon in so vielen Ländern, wo die Römer und die Griechen ihre Spuren hinterliessen. Wir staunen ehrfürchtig über die Grösse der antiken Reiche. 

 

 

Eine halbe Autostunde entfernt liegt die muslemische Burg Ajloun aus dem Mittelalter. Sie steht auf dem Fundament eines noch älteren byzantinischen Klosters. Prächtig steht sie hoch oben auf der Bergspitze und wir geniessen die Aussicht ins grüne Jordantal. Lange können wir nicht verweilen, denn es beginnt wie aus Kübeln zu giessen. Derweil macht sich die Regenzeit bemerkbar. Es regnet allerdings nicht so oft und wenn kurz aber sehr heftig. Warm ist es immer noch. Ich habe einen kulturellen und gemütlichen Geburtstag genossen. Schon mein Dritter auf Reisen.

 

 

Heute Freitag, ist Wochenende für Muslime und viele Läden sind geschlossen. Trotzdem sind erfahrungsgemäss einzelne Shops offen uns so können wir heute noch Frischwasser kaufen und unseren Wassertank auffüllen. Wir könnten das Wasser hier auch Filtern jedoch es ist einfacher, wenn wir gleich Trinkwasser einkaufen. Die lokale Bevölkerung macht es auch so. Die hundert Liter kosten 6 CHF. 

 


Der Schatzsucher

Es ist Zeit einen Schlafplatz anzufahren. Wir machen das gerne bei Tageslicht, geniessen den Sonnenuntergang in Ruhe und starten den Abend ohne Hektik. Es gibt kurz vor Irbid eine alte Siedlung die als Sehenswürdigkeit gekennzeichnet ist. Kaum dort, stehen etwa 300 Auto kreuz und quer auf der schmalen Zugangstrasse, in den Feldern. Es begegnen uns nur Männer. Wir erfahren, dass heute eine Beerdigung einer lokalen Persönlichkeit stattfindet. Wir müssen unser Auto in einer kleinen Nebengasse stehen lassen. Wir können weder vor noch zurück. Alles ist zugeparkt und es erscheinen immer noch mehr Fahrzeuge. Das Chaos sollte sich in ca. 30 Minuten auflösen, so erklärt man uns. 

 

Wir nutzen die Gelegenheit um die alte unspektakuläre Siedlung anzusehen und begegnen, in einer der Ruinen, einem Herrn der mit Wünschelruten umherirrt. Er erklärt uns, dass er alte Goldmünzen suche. Sein Grossvater hat hier gelebt, so erzählt er uns. Das haben wir nun schon öfters gehört, dass die Jordanier nach antiken Schätzen suchen. So viele «antike Münzen» wie uns mittlerweile Angeboten wurden, scheint sich das Hobby zu lohnen. Wir sind da viel zu skeptisch um der Echtheit, dieser Fundstücke Glauben zu schenken. Zudem gibt es Ärger am Zoll. 

 

Mit seinen Wünschelruten welche nicht aus einem Weidenast, sondern aus Metall besteht, grenzt der Schatzsucher zuerst die Räume in der Ruine ein. Es sind keine Mauern mehr ersichtlich. Er kann diese offenbar mit seinem Gerät erahnen. Bevor er nach Gold sucht, legt er sich ein Goldstück unter die Zunge um die Rute auf den Goldmodus zu stellen?! Danach läuft er innerhalb der Räume das Feld ab und das Metallteil schlägt wie wind aus. Ich habe keine Ahnung wie das genau funktioniert. 

 

Er hat offenbar etwas gefunden den er strahlt über das ganze Gesicht. Da er dennoch nicht mit Graben beginnt, sind wir nicht sicher ob alles nur «Hokuspokus» ist. Spannend war die Begegnung alleweil den die Suche wird durch flüstern, pusten und schnellen zackigen Armbewegungen (wie ein Fechter beim angreifen) mit der Rute unterstützt und dies in einer gebeugten fast kauernden Körperhaltung. Wir waren so fasziniert und haben vergessen Fotos zu schiessen. Wir haben ein Foto vom Internet heruntergeladen, dass ihr euch das vorstellen könnt. (Quelle: www.bablue.at)

 

So vergeht die Zeit im Fluge und die Menschen und das Chaos löst sich langsam auf. Wir schliessen uns dem Tross an, denn schlafen möchten wir hier nicht. Wir werden immer wieder aufgehalten um Fotos zu machen und Telefonnummern auszutauschen. Wenig später an einem hübschen Schlafplatz angekommen klingelt Danis Handy und wir bekommen für Morgen Abend eine Einladung, die wir dankend annehmen.

 

 


Irbid

Der Treffpunt ist um 16.00 Uhr in Irbid, der 3. grössten Stadt in Jordanien. Wir sind nur 15 Minuten davon entfernt und bringen am nächsten Tag die Schmutzwäsche in die Reinigung, verhandeln den Preis – ich  bin schon ein richtiger Profi – und kaufen Süssigkeiten als Mitbringsel. Wiederholt werden wir sehr herzlich empfangen und kulinarisch verwöhnt. Es werden für mich vegetarische Gerichte serviert, denn mittlerweile weisen wir darauf hin, dass ich kein Fleisch, kein Huhn und auch keine Würste und Fisch essen. Seither klappt es wunderbar obwohl bestimmt jemand versucht etwas Chicken in den Teller zu legen oder fuchtelt mit der fleischbeladenen Gabel in meinem Gesicht herum. Ich nehms gelassen und verzichte weiterhin gerne auf tote Tiere. 

 

Unterwegs im Verkehr werden wir hier, wie schon im Iran/Irak, immer mal wieder freundlich ausgebremst und zum Anhalten aufgefordert nur um mit uns zu plaudern und Fotos zu machen. Es gibt auch Autofahrer die folgen uns über lange Zeit und sobald wir anhalten parken sie strahlend neben dem Unimog, begrüssen uns mit einem «I know you from Instagram. I’m following you». Ah ja toll und «shukran», dann gibt’s das obligate Foto und sie fahren hupend davon. 

 

Gerade eben haben wir die saubere Wäsche abgeholt da kommt der Nachbar angerannt. Er möchte ins Fahrzeug reinschauen. Ich mag dies nicht so gerne, ich gehe auch nicht einfach zu Fremden ins Haus. Da Dani nickt, mache gute Miene und lasse ihn zu mir hochsteigen. Ich öffne gerade die Plastikverpackung um die frische Wäsche zu besichtigen da kommt mir eine Welle von unbekanntem beissendem Geruch entgegen. Ich denke nur so «Oh Gott die Wäsche stinkt ja fürchterlich» da realisiere ich, dass seine Füsse derart stinken. Ich muss eiligst alle Fenster aufreissen sonst falle ich in Ohnmacht. Ich bugsiere ihn nett wieder hinaus und bitte Dani danach herzlichst keine Passanten mehr ins Auto zu lassen. Ich verstehe die Neugierde der Menschen jedoch ist es ein Ort mit persönlichen Dingen und ich möchte keine fremden Augen darin die sich videodrehend hinter dem Handy verstecken.

 

Als ich dann die fehlende Wäsche auch noch erhalten habe und die Kleidungsstücke die nicht uns gehören zurückgebracht habe können wir weiter. Wir müssen noch die Bremsscheiben kontrollieren lassen denn wir verlieren Bremsöl. Die Werkstattstrasse hat Dani im Vorfeld gegoogelt. Es reihen sich auch hier wie schon in so vielen Ländern unserer Tour die kleinen Garagen Tür an Tür auf. Es wir gewerkelt, geschweisst, gefeilt, ausgebaut, eingebaut, umgebaut. Ein «geht nicht» oder «haben wir nicht» gibt es hier nicht. Unser Schaden wird mit einem gezielten Hammerschlag behoben. Fragt sich nur wie lange das wohl dicht ist. Nun ja, es ging zackig und war kostenlos. 

 


Wir besichtigen unterwegs noch Quseir`Amra, einen alten Hamam mit wunderschönen Fresken und eine antike Schule, Quasr al-Kharranah. Wir haben noch restliche JOD (jordanische Dinar) und fahren ein kleines Dorf an. Aus dem kurz geplanten Stopp im Shop wurde ein etwas längerer Aufenthalt. Die Saudis kicken in Quatar gegen Argentinien und zur Freude der Anwesenden gewinnen die Nachbarn. Die erste grosse Überraschung an der Fussball-WM, die mittlerweile gestartet ist. Wir freuen uns mit den Fans.

 

Auf unserer Reise in Richtung Saudi-Arabien schlafen wir eine Nacht in der Römischen Ausgrabung Qasr al-Usaykhim. Man vermutet hier ein Aussenposten, ein Kleinkastell, am Ende des Römischen Reichs. Man hat ebenfalls Spuren der Nabatäer gefunden. Die ursprüngliche Nutzung des Kleinkastels wurde in den 1970-er Jahre von amerikanischen Archäologen erforscht. Man hat basierend auf den gefundenen Keramikscherben das Alter und die Herkunft ermitteln können. Motiviert durch diese Geschichte machen wir uns auf die Suche von Tonscherben und werden rasch fündig. Nach einer halben Stunde haben wir eine stattliche Auswahl zusammen und sind Stolz über unseren Fund. 

Der Ort ist ansonsten unspektakulär und für Touristen wenig interessant, wäre da nicht dieser übriggebliebene Steinbogen. Er wirkt so zerbrechlich, muss jedoch über die Jahre allen Widrigkeiten standgehalten haben. Zusammen mit einem deutschen Pärchen, die sich mit ihrem Mietauto dahin verirrt haben, geniessen wir den Sonnenuntergang und klettern für eine Fotosession auf den Steinbogen. Dieser steht ja schon seit 2000 Jahre und er wird nun wohl auch heute Abend noch halten. No risk, no fun.

 

Der kitschige Sonnenuntergang


Die weisse Wüste

Die letzten Kilometer bis zur Grenze fahren wir einen Umweg über das Wadi Dahek. Dani hat im App Wikiloc einen Track heruntergeladen und folgen stur den GPS Daten, 150km Steinwüste. Gelegentlich kreuzen wir Pisten und folgen fremden Reifenspuren. Trotzdem versuchen wir den vorgegebenen Track nicht zu verlassen. Hie und da ein Wurzelstumpf, ein aufgeschreckter Vogel oder ein flüchtender Wüstenfuchs. Wir übernachten irgendwo unter dem klaren Sternenhimmel und setzen unseren Trip am nächsten Tag fort. Nach vielen einsamen Kilometern und Stunden später erscheint am Horizont ein schmaler weisser Streifen. Dunkle Vulkansteine mischen sich mit Sand in erd- und beigefarbigen Schattierungen. Der schmale weisse Streifen gewinnt an Grösse und nimmt langsam Konturen an. In einem Becken entfaltet sich vor uns die weisse Wüste und reicht bis zur nahen saudischen Grenze. Wir sind erstaunt, dass wir dies nur durch Zufall entdeckt haben und es in keinem Reiseführer beschrieben ist. Ein weisses Felsenband aus Kalk und Kreide begrenzt das Tal, Gesteinstürme ragen vereinzelt empor und bilden einen Kontrast zur dunklen Steinwüste, die uns umgibt. Die Landschaft inspiriert und die skulpturartigen Gesteinsformen lassen Gestalten erkennen.

 

 

 


Das Beduinen Meeting

Kaum erreichen wir das Wadi, fahren wir direkt in eine «Beduinenparty» und werden dazu gewunken. Ich werde von den Frauen und Kinderscharen zum Frauenzelt geführt und ciao Dani, er verschwindet mit etwa 30 Beduinen im Männerzelt. Ich kann euch nur von meiner Seite erzählen. Wie immer sitze ich im Schneidersitz auf einer Matte und werde von etwa 25 tiefschwarzen Kinder- und Frauenaugen angestarrt. Nach dem ersten Kontakt kommen die üblichen Fragen. Bist du verheiratet, wie alt bist du und hast du Kinder, wo schläfst du und dann werden meine Armbändeli bestaunt. Mittlerweile trage ich immer eines, dass ich verschenken kann. Ich übergebe es der Gastgeberin und sie strahlt mich herzlichst an. Ist zwar etwas eng und mit Würgen und Ziehen wird es passend gemacht.

 

Die Frauen zeigen mir voller Stolz unglaublich grosse und bunte Essenplatten mit Reis, Falafel, Ziegenfleisch und mir unbekannten Beeren. Der Kopf der Ziege ist in der Mitte der riesigen Platte platziert und die gebratene Leber steckt im Mund. Ich muss dazusagen, dass sechs solche Platten vorbereitet wurden und nun ins Männerzelt getragen werden. Nicht so schlimm für mich, muss ich das nicht essen, denke ich. Nach einiger Zeit kommen die halbvollen Platten retour und vor mir wird eine Platte hingestellt. Pita Brot, Radisli und das obligate frische Grünzeug wird danebengelegt. Tja, da muss ich durch. Ich bediene mich am Grünen und tunke mein Brot zaghaft im Reis. Alle Augen sehen mir natürlich dabei zu. Als ich dann anerkennend zu verstehen gebe, dass es gut ist, beginnen die anderen auch zu Essen.

 

Mir schieben sie netterweise die Ziegenaugen zu, welche als Delikatessen gelten. Diskret schiebe ich diese unter den Reis und verstecke die Kugeln. Aus den Augen aus dem Sinn! Da nun alle schnattern, essen und rumfuchteln, kann ich mich recht gut vor dem Essen drücken. Es ist sehr irritierend für mich, dass die Frauen hier so offensichtlich zweitrangig sind. Da die Beduinenfrauen es nicht anders kennen, stört es sie möglicherweise nicht oder sie nehmen es einfach so hin. Sie wirken keinesfalls unglücklich und wie immer sind die Frauenrunden laut, lustig und entspannt trotz Heerscharen von Kindern die rumtanzen, rennen oder lauthals streiten.

 

Die Frau des Gastgebers, liegt wie Kleopatra in den Kissen und fordert mich auf, zwei ihren Kindern mitzunehmen. Sie tut das so bestimmt, dass ich das Angebot ernst nehme. Ich lehne genauso bestimmt ab und unterstreiche es mit einer Handbewegung. Uiiiii, wie schlimm muss das Gefühl für die Beiden sein, wenn die eigene Mutter sie weggeben will. Es zerreisst mir das Herz. Sie insistiert noch ein paar Mal, ich ignoriere das Ganze. Ob es wirklich um ein ernsthaftes Angebot handelt oder ein unangebrachter Scherz ist, weiss ich nicht. Ich mag mich hier nicht über Emanzipation, Frauenrecht, Gleichstellung äussern was nicht bedeutet, dass wir uns keine Gedanken darüber machen. Auf jeden Fall ist dies eine einzigartige Erfahrung die Einblicke in alte Traditionen und für uns komplett fremde Kulturen gibt. Deshalb sind wir auf dieser Reise.

 


Sicht von Dani:

 

Kommt man als Fremder zu einem Beduinenzelt ist man automatisch eingeladen. Das ist Teil der Kultur der Beduinen und ist tief im muslimischen Glauben verankert. Der Gast wird von Gott geschickt. 

 

Ich werde vom Sohn des Gastgebers herzlich empfangen. Er führt mich zu seinem Vater, einem Beduinen wie er Bilderbuch steht, stolz jedoch mit freundlichen Gesichtszügen, die ledrige Haut ist von Sonne Wind und Wetter gezeichnet. Schuhe ausziehen und er führt mich ins grosse Beduinenzelt, wo mich drei Dutzend Beduinen beäugen, die im Kreis am Boden sitzen. Ich halte meinen rechten Arm an die Brust, verneige mich leicht und begrüsse die Gesellschaft «Salam aleikum». Es wird zurückgegrüsst. Ich blicke in die Runde. Ein älterer Mann mit stattlicher Figur zeigt mir mit einer Handbewegung an, ich solle mich neben ihn setzen. Er scheint nebst dem Gastgeber das älteste und somit das wichtigste Mitglied der Runde zu sein. Er spricht ein wenig Englisch, so erkläre ich ihm unsere Reise und wer wir sind. Ich ernte erstaunte und zustimmende Gesichter aus der Runde, nachdem er meine Worte übersetzt hat.

 

Es wird Kaffee und anschliessend Tee serviert, es scheint alles durchorganisiert. Die Beduinen aus der näheren Umgebung treffen einmal pro Woche zu einem gemeinsamen Mal. Rasch werden in der Mitte des Zelts Essensnischen vorbereitet. Plastik Tischtuch oder besser Bodentuch werden ausgebreitet, Wasserflaschen, Fladenbrot und Kräuter bereitgestellt. Jetzt werden riesige Platten mit Reis und Schaffleisch serviert. Wir dürfen uns an die «Tische» hinpflanzen. Auch hier werde ich beobachtet, wie ich mich anstelle. Es gibt kein Besteck. Mittlerweite bin ich geübt mit der rechten Hand zu essen oder die Leckereien mit dem Fladenbrot aufzunehmen und in den Mund zu schieben.

Ich fühle mich ebenfalls vom Essen selber beobachtet. In der Mitte der Platte schaut mich ein Schafskopf an. Das Essen mundet mir trotzdem und lasse mich von den Zuschauern nicht beeindrucken.  Ich esse tapfer mit obschon wir erst vor zwei Stunden gefrühstückt hatten. Nach 15 Minuten ist alles schon wieder vorbei, man steht auf, ich folge der Menge und geht zum Händewaschen um sich anschliessend für Kaffee und Tee erneut zu setzten. Es wir offen diskutiert in der Runde, ich verstehe leider kein Wort. Es geht offenbar um den Regen der nun endlich fällt und um Kamelherden die sich vermischt hatten, so wird mir erklärt.

Der Älteste neben mir steht plötzlich auf und löst damit die Runde unmittelbar auf. Alle verabschieden sich und verschwinden mit ihren Pickups in alle Himmelsrichtungen. Ich bedanke mich herzlich bei den Gastgebern und mache mich auf die Suche nach Marlene.

 

Ohh nein, Kühlschrank defekt!

Gekonnt umschlänget Dani die Sumpfgebiete und den braunen, schweren und matschigen Sand. Die nächtlichen Regenfälle der letzten Tage haben Spuren hinterlassen. Es spriesst auch zaghaft etwas Grün und die zahlreichen Kamele und die Beduinen sind sicher dankbar. Bevor wir unser Nachlager erreichen werden wir nochmal von Beduinen zum Chai eingeladen. Saleh erzählt uns, dass er bald nach Russland fliegt und eine Russin heiratet. Wir schauen uns verwundert an. Spannend wäre zu erfahren, wie er sie kennengelernt hatte. Ich vermute mal via Internet oder habt ihr andere Ideen?

 

Die Sonne ist schon untergegangen und wir schauen, dass wir weiter kommen um unser Nachtlager aufzuschlagen. Kaum im Auto stelle ich fest, dass der Kühlschrank nicht mehr läuft. Eis fällt aus dem Gefrierschrank. Es scheint ein grösseres Problem zu sein. Ist der Kompressor defekt? Wir bauen das Teil gemeinsam aus, finden jedoch den Defekt auf Anhieb nicht. Wie oft in solchen Fällen, ist es zu spät um beim Hersteller anzurufen und natürlich ist es Freitag. Nun, es schein, als müssen wir uns auf einige Wochen ohne Kühlschrank einstellen. Es ist immer irgendwas und ja, das gehört zum Reisen dazu. Allerdings ich könnte darauf verzichten. 

 

Morgen geht schon wieder über eine Grenze. Wir sind gespannt wie lange wir haben. Wir werden um exakt 13.30 an der Grenze sein, denn um 14.00 spielen die Saudis gegen Polen und wir hoffen, dass die Grenzbeamten lieber Fussball gucken als uns zu kontrollieren.

 

Nachtrag

In unserem Reisealltag haben wir täglich ein aufrichtiges Gefühl von Dankbarkeit und es hat viel Platz für das Schöne und Reiche in unserem Leben. Das Negative, dass zum Reisen ebenfalls dazu gehört, nehmen wir an und versuchen daran zu wachsen und die Herausforderungen zu meistern. Wir bemühen uns mit einer achtsamen Haltung durchs Leben zu gehen, so werden wir empfänglicher für all die schönen und vielleicht auch unscheinbaren Dinge, für die wir dankbar sind. Wir sind immer noch mit viel Herzblut unterwegs und schätzen all die herzlichen Begegnungen und Zuneigungen die wir tagtäglich erfahren. Immer wieder sind wir erstaunt und berührt, mit welcher Herzlichkeit wir begrüsst werden. Mal sind es Worte, Gesten, kleine Texte, eine Hand schütteln oder Einladungen, winkende Hände oder strahlende Augen. Es ist und bleibt ein Traumleben und wir freuen uns, begleitest du uns auf unserem Weg. DANKE, dir lieber Leser/Leserin.

 

 «Ein posi¬ti¬ves Gefühl oder eine Hal¬tung in Aner¬ken¬nung einer mate¬ri¬el¬len oder imma¬te¬ri¬el¬len Zuwen-dung, die man erhal¬ten hat oder erhal¬ten wird.»

(Quelle: Wikipedia zu Dankbarkeit)

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