Blog #17b, Marlene (August 2021, Armenien)
Das Kloster Norawank, es soll nicht das Letzte sein, welches wir als nächstes Ziel anfahren, wurde im 13. Jahrhundert erbaut. Die Fahrt zum Kloster führte durch die eindrückliche Schlucht Amaghu mit steil emporragenden roten Felsformationen. Wegen der aussergewöhnlichen Lage, in dieser Schlucht, hat es uns sehr gut gefallen. Speziell zudem ist es die Fledermäuse zu beobachten, die kopfüber an der Kirchenkuppel hängen.
Den Abend verbringen wir an einem abgelegenen und ruhigen Ort, so dachten wir, mit einem tollen Naturweiher und Naturpool. Spätabends fuhren vier Jungs im klapprigen Lada vor und feierten bis tief in die Nacht. Mich hat es nicht gestört, Ohropax sei Dank. Wir blieben mutig noch eine 2. Nacht und es ging abends wieder die Post ab. Wir haben uns dann halt auch nicht so früh schlafen gelegt und den Sternenhimmel bewundert und philosophiert.
Am nächsten Tag bekamen wir wieder etwa 5 kg Pfirsiche geschenkt. Wir wollen ja nicht undankbar sein aber sie kommen uns jetzt dann bald zu den Ohren raus die lieben Pfirsiche. Nun gut, irgendwie kann ich sie immer verarbeiten. In Griechenland wussten sie nicht wohin mit den Orangen hier dasselbe mit Pfirsichen und Wassermelonen.
Chor Virap, ein weiteres Kloster und Pilgerort (Symbol für die Verbreitung des christlichen Glaubens) haben wir angefahren, weil es direkt vor dem imposanten Mount Ararat steht. Der Berg Ararat ist ein Wahrzeichen von Armenien, aber nach etlichen Kriegen gehört er zur Türkei (von wo aus wir ihn ja bestiegen hatten) und wir bewundern ihn jetzt von der anderen Seite. Der Legende nach wurde Gregor der Erleuchtete hier von König Trdat III, im Jahre 288 n. Chr. 15 Jahre im Kerker eingesperrt, mit dem Ziel ihn von seinem Glauben abzubringen. Trotz Folter blieb Gregor standhaft. Der König jedoch, so erzählt man sich, erkrankte an einer Hauterkrankung welche ihn entstellte. Gregor der Erleuchtete konnte den König heilen und wurde deshalb freigelassen. Der König und der gesamte Königshof haben nach der Heilung den christlichen Glauben angenommen.
Unmittelbar neben dem Kloster ist der Grenzzaun zur Türkei zu sehen. Es existiert allerdings kein offener Grenzübergang. Seit 1993 hält die Türkei die Grenzen wegen dem Konflikt mit Aserbaidschan für Armenien geschlossen. Wer in die Türkei will muss den Weg über Georgien auf sich nehmen. Dasselbe gilt natürlich für Aserbaidschan. Ein kleines Land mit vielen Problemen.
Das beeindruckende Kloster Geghard – es ist das Letzte verspochen – wollten wir unbedingt noch besuchen. Wir haben den ultimativen Fehler gemacht, das Kloster an einem Sonntag anzufahren und mussten ultrazackig wieder abdrehen, denn es hatte sich schon auf der Zugangsstrasse eine Autoschlange und vor dem Eingang eine Menschenansammlung gebildet. Wir sind uns dies definitiv nicht gewohnt. Es hat etliche russische, iranische und indische Touristen, da man sich in Armenien kostenlos impfen lassen kann. Impftourismus, eine neue Art von Tourismus.
Der 2. Versuch am Montag hat geklappt und wir wurden reichlich belohnt. Das Kloster ist teilweise in den Felsen gebaut und einfach nur hinreisend. Beim Eintreten in die Abtei nehmen wir wunderschönen Gesang war. Wir folgen den Stimmen in den 2. Stock des Klosters und treffen auf vier SängerInnen, die derweil draussen eine Pause einlegen. Schade denken wir und gehen in den oberen Raum des Gebäudekomplexes. Eine Sängerin folgt uns und wir geben ihr zu verstehen, dass der Gesang umwerfend war. Spontan fragt sie uns ob sie für uns singen dürfen. Wie soll man das ablehnen! Der Gesang garantiert Gänsehaut und uns rollen Tränen über die Wangen. Was für eine grosse Ehre dürfen wir das Quartett live in dieser einmaligen Umgebung erleben. Shnorhakalut’yun/Danke!
Beim späten Mittagessen im Dörfchen Garni dürfen wir beim traditionellen Kochen zusehen und die vielen Düfte einatmen. Dazu wird ein im Boden eingelassener Tonkrug befeuert.
An der Unterseite des Kruges hat es ein Loch mit einer Röhre für die Sauerstoffzufuhr von aussen. Sobald die richtige Hitze erreicht ist und sich eine schöne Glut am Krugboden gesetzt hat, wird ein mit Grillgut beladener, mehrstöckiger Gitterrost in den Krug eingelassen und mit einem Deckel verschlossen. 15 Minuten später kann der Rost mit den Leckereien aus dem Schlund gezogen und auf dem Teller serviert werden.
Während dem Essen kommen wir erneut in den Genuss armenischer Volksmusik. Astrid die Tochter des Besitzers, singt uns vor dem Essen ein Ständchen. Was für ein Tag, ein Highlight jagt das Nächste.
In Jerevan haben wir nur einen kurzen Nachthalt am Jerewan-See gemacht, da es unerträglich heiss und stickig ist. Die Hitze hängt wie eine Glocke über der Stadt und es zirkulierte kein Lüftchen. Zum See gibt es noch eine tragische Geschichte. 1976 fuhr ein Oberleitungsbus mit 92 Passagieren an Bord in den See und versank rund 25 Meter vom Ufer entfernt auf 10 Meter Tiefe. Der zufällig während eines Trainings vorbei-joggende, damals 22-jährige Scharwasch Karapetjan, ein mehrmaliger Weltmeister im Flossenschwimmen, sprang sofort in den See. Bei schlechter Sicht gelang es ihm das Rückfenster einzuschlagen und rettete so 20 Passagiere. Ganze Story hier: Link
Unmittelbar nach der Ankunft fahren wir direkt zum Zizernakaberd Denkmalkomplex welcher zum Gedenken der Opfer des Völkermords an den Armeniern 1915 gewidmet ist. Das unterirdisch angelegt Genozid Museum war happige Kost und wir brauchten einen Moment um das Ganze setzen zu lassen. Wir fahren an den See.
Am Folgetag, früh aus den Federn und zu Fuss unterwegs ins Cafesjian Center of the Arts. Die vielen Treppen in Kombination mit der glühenden Sonne ist sehr schweisstreiben. Die «Abkühlung» in einem der schnuckeligen Cafés hilft nur bedingt. Die Wärme hat Dani spontan dazu bewegt seine Haare zu schneiden und zwar wieder kurz. Für wenig Geld gibt es den perfekten Haar- und Bartschnitt bei einem Barbier mit klimatisierten Frisörsalon.
Eigentlich lieben wir es hie und da in eine Grossstadt einzutauchen aber so macht es überhaupt keinen Spass. Wir verlassen die Stadt und verschieben in die Berge.
Weiter geht’s zum Byurakan-Observatorium, welches nach dem 2. Weltkrieg in Betrieb genommen wurde. Die Sternwarte gehört zum Verbund der armenischen
Akademie der Wissenschaften. Es befindet sich in Bjurakan am Hang des Berges Aragaz in 1’405 Metern Höhe. Wir werden von einem sehr zappligen und übermotivierten Astrophysiker herumgeführt und
bekommen irre viele Infos von der historischen Entwicklung der Institution über Supernovä bis hin zu sich anziehenden Galaxien. Ich habe knapp die Hälfte verstanden. Egal, spannend war es allemal
und die Temperaturen sind schon merklich kühler womit wir wieder atmen, strahlen und geniessen können.
Seit Jerewan kämpfen wir mit einer mittelschweren Magendarminfektion. Essen tun wir nur wenig und das Wenige hält sich nicht lange. Details erspare ich euch. Trotzdem wollen wir an den Alagiazlake auf 3’200m. Der Mount Aragats ist mit seinen 4’090m der höchste Berg von Armenien und diesen gilt es zu besteigen. Am nächsten Morgen um 06.00 kriechen wir aus dem Bett und kurz danach marschieren wir los. Es gibt keine markierten Wanderwege und wir kämpfen uns mühsam über Geröllhänge und springen von Stein zu Stein.
Der erste Sattel auf 3’800m erreichen wir ohne Probleme. Für die Erklimmung des Aragats müssen wir wieder 300m ins Tal absteigen bevor wir der Gipfel in Angriff nehmen können. Die Besteigung des Aragats entpuppt sich als eine sehr steile, rutschige Angelegenheit. Rund 250 m unter dem Gipfel schwinden unsere Kräfte. Wir sind jetzt seit gut 3 Stunden unterwegs und wir würden noch eine weitere Stunde für den Gipfel benötigen. Zudem ziehen dunkle Wolken auf – wir hören ein Donner aus der Ferne. Dani will umdrehen. Schon etwas frustrierend so kurz vor dem Ziel abzubrechen aber die Vernunft des Alters hat gesiegt - ich schreibe in Mehrzahl aber ich hätte mich wohl noch irgendwie hochgequält.
Wieder unten an See waren ich froh, dass Dani so clever war umzudrehen, denn ein heftiges Gewitter entleerte sich kurz nach unserer Ankunft. Im Nachhinein bin ich über die kraftlosen Beine nicht erstaunt. Die Magendarminfektion hat ihren Tribut gezollt. Resümierend war es eine eindrückliche Wanderung in Mitter der armenischen 4’000-er.
Mit 117’000 Einwohner ist Gyumri die 2. grösste Stadt im Land und liegt auf 1550 m.ü.M. Wir haben nach einem ausgiebigen Frühstück im Café Herbs & Honey einen weiteren Lost Place besichtigt. Die «Old Fontain» ist eine alte eiserne Fontäne.
Sie steht auf dem Areal eines alten Campus. Während dem grossen Erdbeben 1988 wurden fast alle umliegenden Gebäude zerstört. Der Brunnen überlebte die Naturkatastrophe. Die Spuren des Erdbebens sind noch Heute zu sehen und vielerorts nicht beseitigt. Alleine in der Stadt wurden 24’000 Wohnungen und die von der Sowjetunion gebauten Hochhäuser zerstört.
Es leben noch heute zahlreiche Menschen in den damals als Übergangslösung aufgestellten Holz oder Metall Containern. Es gibt etwa 3’000 solche «Domiks» Containerhäuschen welche über kein fliessendes Wasser/Toilette verfügen. Mittlerweile leben auch die Kinder/Enkel und diesen Baracken und es ist keine Hilfe in Aussicht. Es gibt so viel Elend auf unserem Planeten.
Wir verbringen die letzten Tage am Lake Arpi, welcher idyllisch in einem Naturpark 40 Kilometer von Gyumri entfernt im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Georgien liegt. Vor dem Eingang in den Park müssen wir unsere Daten wie Name, Autokennzeichen, Passnummer, Telefonnummer in eine grosse Liste eintragen. Wir mussten nichts bezahlen, die Nutzung des Parks sei kostenlos, was auf die meisten Sehenswürdigkeiten hier in Armenien zutrifft. Anschliessend wird die Schranke zum Park für uns geöffnet und wir dürfen einfahren.
Kaum haben wir unsere Fahrzeuge bei einem offiziellen Parkplatz mit Unterstand und Feuerstelle platziert tauchen zwei «Ranger» mit ihrem Fahrzeug auf und wollen 5'000 Lari (ca. 10.-€) für den Platz pro Tag. Was jetzt? Wir dachten es sei hier kostenfrei?! Zudem steht auf den verschiedenen Schildern zum Park mit diversen Hinweisen zum Verhalten und den Verboten im Park nichts von einer Gebühr. Wir versuchen den beiden mit Händen und Füssen klar zu machen, dass wir nicht verstehen, wieso wir nun plötzlich etwas bezahlen müssen. Der eine Ranger zückt das Telefon und verbindet uns mit dem «Direktor» der Parkanlage, der etwas Englisch spricht. Nach längerem Hin und Her finden wir heraus, dass die Nutzung des Unterstands und der Feuerstelle kostenpflichtig sind. Wir einigen uns diese nicht zu nutzen und somit auch nichts zu bezahlen. Die beiden fahren scheinbar zufrieren wieder von Dannen.
Wir bleiben mehrere Tage am See und erholen uns von den vielen anstrengenden Klosterbesichtigungen. Wir lassen die letzten Tage/Wochen vor dem geistigen Auge nochmals Revue passieren.
In der ersten Nacht wurden wir selber Zeugen eines Bebens und haben ein kurzes aber kräftiges Schütteln im Fahrzeug bemerkt. Gemäss volcanodiscovery.com hatte das Beben die Stärke 5 und das Epizentrum war erneut in der Nähe von Gyumri. Die Stärke des Bebens war aber nicht mit dem von 1988 zu vergleichen. Für einmal ist nochmal alles gut gegangen.
Am dritten Tag am See kommt schon wieder etwas das Gefühl von Langeweile auf. Das passt mit der Idee, das Mopet (KTM) von Marc flott zu machen, sehr gut zusammen. Marc und Nadine drehen am Morgen eine Runde mit dem Zweirad um den See, wir machen es ihnen am Nachmittag nach. Alleine auf Schotterstrassen die teilweise verlassen Dörfchen rund um den See erkunden ist aufregend und abwechslungsreich. Die wenigen Dorfbewohner winken uns freundlich zu, ich erwidere vom Sozius aus. Dani sollte den Lenker nicht loslassen. Wir fahren zwar nicht schnell, sind aber ohne Helm unterwegs, also Vorsicht.
In einem der Dörfchen haben wir die falsche Abzweigung erwischt. Wir fahren unbeabsichtigt in Richtung türkische Grenze. Wir haben den Fehler rasch bemerkt und drehen um. Die Grenzpolizei hat das auch bemerkt, kreuzt uns mit ihren Nissan Patrol und hält uns an. Sie wollen die Pässe sehen, die wir in solchen Situationen mittlerweile immer mit uns führen. Nach einem kurzen Telefonat mit der Parkverwaltung? wir wissen es nicht, lassen sie uns weiterfahren. Nach knapp 60 Minuten erreichen wir mit einem breiten Grinsen wieder unser Stellplatz.
Wir verlassen den See und fahren zurück nach Gyumri um den obligaten PCR-Test zu machen. Nochmals Wasser, etwas Diesel tanken und einkaufen für die nächsten paar Tage und ab an die Grenze zurück nach Georgien. Wir stellen uns ein paar Kilometer vor der Grenze auf eine Anhöhe bei einer Kirche und warten auf das Testresultat. Am nächsten Tag geht’s zurück nach Georgien. Danke Armenien, es hat uns sehr gut gefallen. Deine abwechslungsreiche Landschaft, die freundlichen und hilfsbereiten Menschen, das köstliche Essen und die vielen Sehenswürdigkeiten verleiten und dazu wieder zu kommen. OK, vielleicht hat es etwas wenig Kloster.
Das Wort Urlaub stammt aus dem alt- und mittelhochdeutsch «urloup» und bedeutet «Erlaubnis» . Erlaubnis wegzugehen und die Routine hinter sich zu lassen. Wir haben die Alltagsroutine und den Trott nun schon mehr als ein Jahr hinter uns gelassen und um Erlaubnis mussten wir niemanden fragen. Mittlerweile haben wir aber auch einen eingespielten Reisealltag und es stellt sich auch Routine ein, obwohl kein Tag dem anderen gleicht. Mittlerweile haben wir eine typische Rollenverteilung wie es früher in den Familien allgegenwärtig war. Dani werkelt aussen am Auto und ich bin die fleissige Hausfrau. Diese Aufteilung ist neu aber wir finden es sehr angenehm so und es passt.
«Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen.
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.»
Hermann Hesse (Stufen)
Nun, wir lieben unsere kleinen Rituale und es droht kaum, dass wir erschlaffen ab traulich eingewohnt.
Danke, dass du bis zu Ende gelesen hast. Wir freuen uns immer wieder über einen Feedback von dir. Lass es uns wissen, was du denkst und mach uns Vorschläge, über welche Themen wir berichten sollen.