Blog #32, Marlene (Mai 2024, Nepal Teil II)
Wäre ich so, wie ich wäre,
wenn ich wäre, wie ich sollte,
wäre ich zwar, wie man sollte,
wäre aber niemals ich.
Bin doch lieber ich, wie ich bin
(Autor unbekannt)
Der Grenzübertritt von Indien nach Nepal zieht sich in die Länge, da der Beamte zunächst seine Mittagspause einlegt, bevor er uns das Visum ausstellt. Nun ja, mit leerem Magen zu arbeiten, ist unangenehm. Wir nehmen es gelassen, denn wenn wir in Nepal eines haben, dann ist es ausreichend Zeit. Der ursprüngliche Plan war, den direktesten Weg nach Kathmandu zu nehmen. Wir wollten Mitte Mai mit unserer Gruppe die Überquerung Chinas in Angriff nehmen, vorausgesetzt, wir erhalten das Visum. Das sogenannte Gruppenvisum kann nur direkt in Nepal mit mindestens vier Teilnehmern beantragt werden. Unsere Gruppe bestand ursprünglich aus sechs Personen, zwei Campern und zwei Motorrädern. Leider musste eine Teilnehmerin krankheitsbedingt absagen, und kurz vor der Abreise verunfallte auch noch ein Motorradfahrer in Nepal. De facto sind wir nur noch zu dritt, und somit kommt keine ausreichend grosse Gruppe zustande. Abhängig von Dritten zu sein, kann äusserst mühsam sein. Alle Bemühungen, einen weiteren Teilnehmer zu finden, scheitern.
Zurück zum Start, wie im Leiterspiel! Nachdem unser Facebook-Aufruf Aufmerksamkeit erregt hat, haben wir schnell eine alternative Gruppe für den Juni gefunden. Die Gruppe wirkt etwas chaotisch und unorganisiert. Doch dann ergreift Dani die Initiative und fixiert ein Datum. Durch die Einbindung unseres Agenten können wir unsere bereits ausgefüllten Unterlagen nutzen und sparen uns zusätzliche Mühe. Hoffen wir, dass es diesmal klappt...
Es wäre ein Wunsch gewesen, noch ein bisschen länger in Indien zu verweilen, doch unser Gefährt muss den Subkontinent innerhalb von 180 Tagen verlassen, und wir möchten kein Risiko einer Beschlagnahmung am Zoll eingehen. Obwohl ich überzeugt bin, dass niemanden am Zoll dies interessiert hätte. Im Nachhinein ist man jedoch immer schlauer.
An der China-Front tut sich Unglaubliches! Nun brauchen wir gar kein Gruppenvisum oder generell kein Visum mehr für Aufenthalte von bis zu 15 Tagen. Einreisen ohne Visum sind für einige europäische Länder, einschliesslich der Schweiz, möglich. Innerhalb dieser 15 Tage müssen wir jedoch die über 4.000 Kilometer zurücklegen. Ein hohes Risiko einer Ablehnung ist nun passé. Früher waren längere Aufenthalte in der Türkei und Pakistan heikle Punkte. Wir müssen nach wie vor die Durchquerung mit einem Reiseführer absolvieren und falls es zu einem Defekt kommt, müssten wir das Fahrzeug verlassen und aus- und wieder einreisen. Diese 15 Tage sind festgelegt und es gibt keine Ausnahmen, egal was passiert. Um die Kosten für den chinesischen Begleiter zu senken, versuchen wir weiterhin, in einer Gruppe zu reisen. Wir sind gespannt, wie es weitergeht.
Wir stehen ruhig am Ufer eines Flusses, der Himmel ist immer noch von Wolken verhangen, und hin und wieder setzt leichter Regen ein. Eine angenehme Abkühlung. In der vergangenen Nacht haben wir zum ersten Mal eine unangenehme Begegnung gehabt. Ein unsichtbarer Jemand hat laut an unsere Tür gehämmert. Anschliessend flogen Steine in unsere Richtung, trafen uns jedoch nicht. Als Dani den Täter konfrontieren wollte, ergriff ein junger Mann fluchtartig das Weite. Trotzdem bleiben wir noch eine Nacht hier. Affen sind ja bekanntlich überall anzutreffen.
In den kommenden Wochen geniessen wir die entspannte Zeit in der Umgebung von Pokhara. Wir verbringen ein paar ruhige Tage am Rupa-See und eine Woche am Begnas-See. Bei einer unserer Wanderungen entdeckten wir das kleine Dorf Majhikuna und fühlen uns in vergangene Zeiten zurückversetzt. Die Nepalesen führen hier ein ruhiges, gemächliches und erfülltes Leben.
Bevor wir unsere Wanderung fortsetzen, wollen wir hier noch eine Stärkung zu uns nehmen. Da das niedliche Restaurant gerade erst geöffnet hat, lässt das Omelett etwas auf sich warten. Der junge "Rastaman", der hier lebt, bringt uns jedoch innerhalb weniger Minuten einen Joint als Zeitvertreib. Wir lehnen dankend ab und machen uns direkt an den Tee.
Die Woche ist geprägt von Baden, der Organisation unserer Chinagruppe und anderen Verpflichtungen. In China sind bestimmte soziale Medien wie WhatsApp gesperrt. Um diese Einschränkungen zu umgehen, laden wir VPN-Apps herunter. Zudem bemühen wir uns um chinesische Zahlungs-Apps, um unsere Kreditkarten zu verknüpfen und bargeldlos zu bezahlen. Alipay hat sich dabei als äusserst nützlich erwiesen.
Von unseren Standorten aus machen wir Wanderungen und nehmen an anderen sportlichen Aktivitäten teil. Zwischendurch gehen wir in die Stadt zum Einkaufen. In Pokhara gibt es herrliches dunkles Brot und eine grosse Auswahl an exzellentem Käse, Bio-Olivenöl sowie schön verpackten Trockenfrüchten, Nüssen und Wein.
Ausserdem nutze ich die Gelegenheit, ein neues Thema in meinem Blog einzuführen. Ich habe einige neue Rezepte hinzugefügt, die köstlich schmecken, schnell zubereitet sind und reichhaltig sind. Vielleicht findet ihr das eine oder andere, was euch gefällt, darüber würde ich mich sehr freuen.
Oh, und zu unserem Leidwesen ist schon wieder unser Kühlschrank ausgefallen. Wir haben noch keinen Plan, wie wir kurzfristig an das Ersatzteil kommen sollen.
Wir holen das Permit für die Annapurna-Region in Pokhara ab. Ein Kinderspiel für uns alte Hasen mit unserer langjährigen Erfahrung.
Vom Begnas-See aus machen wir uns auf den Weg nach Besisahar. Die Strasse ist nahezu frei von Verkehr und in gutem Zustand. Wir kommen gut voran. Nachdem wir Besisahar passiert haben, bewegen wir uns in gewohntem Tempo auf Manang zu. Immer wieder müssen wir stehen bleiben, um zu überprüfen, ob wir zwischen den Abgründen und Felsvorsprüngen in Breite und Höhe durchpassen. Alles läuft reibungslos, bis wir vor einem Wasserfall stehen, der in die tiefe Schlucht stürzt. Eine schmale Brücke führt über den Fluss und macht an einer 90-Grad-Kurve eine Biegung. Zu allem Überfluss hängen die Felsen tief über der Strasse. In langsamer Fahrt manövrieren wir mutig und knapp an Geländern, Pfeilern und Felsen vorbei.
Erschöpft und erleichtert suchen wir einen Platz für die Nacht. Beim Übersehen eines Stromkabels hören wir plötzlich einen lauten Knall. Nur das Gezeter der Restaurantbesitzerin lässt uns erahnen, dass der Strom ausgefallen ist. Dani steigt aus, um sich die Situation anzusehen. Wir haben aus Versehen die 220V-Zuleitung zum nahegelegenen Restaurant unterbrochen. Zum Glück verfügt Dani über das nötige Know-how und die Werkzeuge, um den Schaden schnell zu beheben. Währenddessen kümmere ich mich um das Zerkleinern des Gemüses und bereite das Abendessen vor. Nahezu gleichzeitig sind wir fertig und setzen uns zufrieden an den Tisch.
Am folgenden Morgen schleiche ich mit dem Unimog langsam unter dem Kabel hindurch, so dass Dani es mit einem Bambusstock anheben kann. Wir lassen das Auto auf einer Ebene stehen und wandern die ersten Kilometer auf 2500 Meter Höhe. Chame hat laut unserer Informationen heisse Quellen, also beschliessen wir, morgens mit dem Auto dorthin zu fahren. Zurück beim Fahrzeug frage ich Dani, wie wir eigentlich die enge Stelle in der Schlucht meistern sollen. Seine Antwort: Einfach versuchen, notfalls rückwärtsfahren!?
Wie bitte? Den engen Pfad hinabzufahren, umdrehen ist selten möglich, und dann wieder zurück. Mir wird mulmig und ich möchte am nächsten Tag früh am Morgen zurückfahren. Wir können uns keinen Schaden erlauben, denn China wartet. Also gehen wir mit kleinen Augen am nächsten Morgen, kaum dass es hell wird, zurück. Wir parken das Auto kurz vor der heiklen Stelle und gehen zu Fuss, um die Vorgehensweise zu besprechen. Schliesslich einigen wir uns darauf, es vorwärts zu probieren.
Dani lenkt das Fahrzeug, während ich ihm Anweisungen gebe. Um den Felsen nicht zu berühren, lassen wir viel Luft aus den Reifen, um etwas Abstand zu gewinnen. Es ist äusserst knapp, aber Dani meistert es geschickt bis ans Brückengeländer. Jetzt stehen wir quer und stecken regelrecht fest. Mit millimetergenauen Vor- und Rückwärtsbewegungen drehen wir uns langsam wieder in Fahrtrichtung. Der Geländerpfeiler ist solide mit viel Beton verankert und wir müssen die Reifen erneut aufpumpen. Je mehr Luft in den Reifen ist, desto schmaler wird dieser. So schaffen wir es auch ohne die Reifen zu beschädigen, um diese Stelle herumzukommen.
Ein paar Zentimeter nach links fahren und auf einem erhöhten Untergrund abzurutschen, wäre keine Option. Die Kiste könnte dann nach rechts kippen, direkt in den Felsen, und das wollen wir auf jeden Fall vermeiden. Nach mehr als einer halben Stunde Übung haben wir diese knifflige Passage gemeistert. Etwas weiter unten finden wir eine Wiese und Parken dort.
Wir hatten geplant, bis nach Manang zu fahren, aber nun müssen wir alles zu Fuss bewältigen. Ganze 60 Kilometer trennen uns von unserem Ziel. Also packen wir unseren Rucksack für eine Woche, schnüren die Wanderschuhe und machen uns auf den Weg. Die erste Nacht verbringen wir in Chame in einer einfachen Herberge und sind dankbar für unsere Seidenschlafsäcke.
Natürlich machen wir noch einen Abstecher zu den heissen Quellen und gönnen unseren strapazierten Füssen eine Erholung. Am nächsten Morgen setzen wir motiviert unsere Wanderung fort, oft entlang der kaum befahrenen Hauptstrasse, bis nach Upper Pisang auf 3700 Metern Höhe. Die Unterkunft im Homestay ist etwas besser, aber es gibt immer noch Verbesserungspotenzial. Das Essen hingegen ist um einiges schmackhafter als in Chame. Also füllen wir unsere Bäuche. Hier gibt es lokales Gerstenporridge, was ich persönlich sehr gerne mag und dass mich wirklich satt macht.
Wir wandern weiter, teilweise auf schönen Wegen, bis nach Ngawai. Dort haben wir zum ersten Mal ein gemütliches Zimmer mit eigenem Bad. In unserem Alter ist das ein schöner Luxus, den wir gerne annehmen. Um sechs Uhr morgens, nach einer erholsamen Nacht, brechen wir auf, um den Kang La Pass (5320 m) zu bezwingen - eine anspruchsvolle Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben. Ngawai liegt auf etwa 3700 m Höhe und die Temperaturen über 5000 m haben wir unterschätzt. So machen wir das Gipfelfoto mit kalten Fingern und werden vom starken Wind umweht. Schnell beginnen wir mit dem Abstieg. Am Fuss des Passes beschliessen wir, eine weitere Nacht zu bleiben. Nach rund 1600 Höhenmetern rauf und runter in dieser Höhe, können wir uns kaum noch bewegen. Die Beine schmerzen, die Motivation schwindet. Wir sind sehr stolz auf unsere Leistung und froh, dass sich keine Anzeichen von Höhenkrankheit bemerkbar machen.
Erholt, gestärkt und entspannt machen wir uns am folgenden Morgen in aller Frühe auf den Weg nach Manang, unserem eigentlichen Ziel. Kaum im beschaulichen Dorf angekommen, stossen wir auf eine Bäckerei mit einem verlockenden Angebot. Trotz bereits eingenommenem Frühstück ist nach so vielen Wanderkilometern immer Platz für etwas Süsses (das ich normalerweise kaum esse). In diesen Tagen sind wir quasi ständig hungrig und müssen eine enorme Menge an Kalorien zu uns nehmen. In einem gemütlichen Hotel machen wir es uns bequem und geniessen es, uns mit einigen Rucksacktouristen zu unterhalten.
Am Nachmittag machen wir noch einen Spaziergang durch das Dorf. Dort sehen wir ein nepalesisches Ehepaar, das geschmolzenes Aluminium in Steigbügel und Küchenutensilien giesst. Die Frau sitzt auf dem Boden und schmilzt alte Aluminiumtöpfe, während sie einen Ventilator betätigt, der Luft ins Feuer bläst, um die erforderliche Temperatur zu erzeugen. Der Mann sitzt ebenfalls auf dem kühlen Boden und formt in einem Holzkasten, der mit Sand gefüllt ist, die Negativformen für die Steigbügel. Er verschliesst den Holzkasten und bohrt zwei Löcher in den mit Sand gefüllten Deckel. Dort giesst er das flüssige Aluminium hinein, wartet kurz, kühlt es mit ein paar Spritzern Wasser ab und öffnet den Deckel. Mit einer Zange nimmt er die fertigen Gegenstände heraus. Es ist unglaublich, wie die beiden mit einfachen Werkzeugen so beeindruckende Arbeiten schaffen.
Wir beobachten sie fasziniert und fühlen uns wie Jahrhunderte zurückversetzt. Nur das ständig präsente Smartphone bringt uns gedanklich wieder in die Gegenwart zurück. Männer oder Ochsen ziehen die Pflüge und Frauen stehen gebückt an den Hängen, um zu säen, Unkraut zu jäten oder zu ernten. Wir begegnen nur wenigen Touristen und laufen daher stundenlang schweigend die Hügel auf und ab.
Die Saison neigt sich dem Ende zu und der Monsun sollte eigentlich beginnen. Zu unserem Glück haben wir jeden Tag schönes Wetter und klare Sicht auf die 7000er. Die Gipfel des Annapurna II und III sowie des Tilicho Peak werden während unserer Wanderung sichtbar.
In diesen Bergen wird eifrig nach Raupenpilzen gesucht. Die Einheimischen beteiligen sich an der Suche nach dem begehrten Wurm, um ihr bescheidenes Einkommen aufzubessern. Abends präsentieren sie stolz ihre Funde und reinigen die kleinen Raupen sorgfältig mit einer Zahnbürste, bevor sie sie zum Trocknen in die Sonne legen.
Der Cordyceps soll die Ausdauer steigern, die Regenerationsphasen verkürzen und die Stresstoleranz verbessern. Dies wird unter anderem auf eine Regulation der Nebennierenrinde und der von ihr gebildeten Stresshormone zurückgeführt. Der Cordyceps wird daher als Tonikum für die Nieren-Energie und die Essenz Jing angesehen und spielt eine wichtige Rolle in der chinesischen Medizin. Link
Von Manang aus starten wir unsere Reise zum Tilicho-Basislager, das auf 4.100 m liegt. Die knapp 700 Höhenmeter sind gut zu bewältigen, obwohl der Weg an einigen Stellen ein erhöhtes Steinschlagrisiko birgt und mitunter sehr schmal wird. Menschen mit Höhenangst sollten vielleicht woanders wandern. Wir nehmen das Steinschlagrisiko in Kauf und bewältigen diesen Abschnitt zügig. Wir erreichen sicher das Basislager und beziehen ein einfaches, aber gemütliches Zimmer.
Den Nachmittag verbringen wir mit Essen und spannenden Gesprächen mit Gleichgesinnten. Um 04:45 Uhr weckt uns die programmierte Weckfunktion des Handys. Mit leichtem Gepäck machen wir uns auf zum Höhepunkt unserer Wanderung, dem Tilicho-See. Der Himmel ist bewölkt, und wir hoffen auf klare Sicht. Der Aufstieg ist moderat anspruchsvoll, und wir schaffen es, den letzten Kilometer auf 5.000 Meter zu joggen. Es ist ein unglaubliches Gefühl, in solcher Höhe genug Sauerstoff zu haben! Es scheint, als hätten wir alles richtig gemacht mit unserem gemässigten Aufstieg, und wir fragen uns, ob wir uns genauso gut akklimatisiert hätten, wenn wir mit dem Unimog nach Manang gefahren wären.
Am höchsten Punkt angekommen und den See vor uns sehend, stehen wir sprachlos da. Der Anblick ist atemberaubend schön und fesselt unsere Augen. Die umliegenden Berge spiegeln sich im glatten, türkisfarbenen Wasser. Es ist ein Anblick von überwältigender Schönheit. Der glitzernde, türkisfarbene Bergsee in der Sonne entschädigt uns für alle Anstrengungen der vergangenen Tage.
Der Tilicho-See liegt auf 4.919 m und wird nur vom Kajin-Sara-See auf 5.200 m übertroffen. Mit einer Länge von bis zu 4 km und einer Breite von 1,2 km ist der Tilicho-See der grösste in der Region. Laut Wikipedia baden Wanderer nicht im Tilicho-See wegen der kalten Wassertemperatur – es sei denn, sie heissen Dani und Marlene. Wir steigen ans Ufer hinab und wagen einen kurzen Sprung ins sehr kalte Wasser.
Dem Marsyangdi-Fluss folgend, wandern wir gemütlich zurück zum Basislager. Nach einer Stärkung entscheiden wir, weiterzulaufen, und erreichen nach mehreren Stunden erschöpft Khangshar. Die deutsche Ärztin Annika begleitet uns und die Zeit vergeht im Flug.
Die letzte Nacht verbringen wir in Khangshar, 6 km vor Manang. Heute Morgen fahren wir mit einem Jeep, eng zusammengedrängt wie Sardinen in der Büchse, zurück nach Chame. Wir geniessen ein letztes Bad in den heissen Quellen und laufen die verbleibenden 14 km bis nach Hause.
Nach insgesamt 145 km und 7.700 Höhenmetern sind wir glücklich, müde und stolz in unserem Bett. Eine weitere unglaubliche Erfahrung liegt hinter uns.
Wir haben die schmutzige Wäsche in unsere Wäschesäcke gesteckt und diese wartet nun in der Fahrerkabine darauf, dass sie gewaschen wird. Ich ziehe es vor, sie nicht in die Box zu legen. Die Kleidung muss zuerst gewaschen werden, um sicherzustellen, dass unerwünschtes Ungeziefer ausgeschlossen wird.
Die dreitägige Reise nach Kathmandu ist gespickt mit zahlreichen Hindernissen und prekären Situationen. Bereits frühmorgens auf dem mangelhaften Weg von Danakyu nach Besisahar stossen wir auf ein Hindernis: Ein Lastwagen versperrt uns in einer Kurve den Weg, da die Fahrer die Hinterachse zerlegt haben und auf Ersatzteile warten. Es wird eine Weile dauern! Wir müssen zurücksetzen und an einer breiteren Stelle warten.
Nach etwa drei Stunden klopft die Polizei an unser Auto und signalisiert, dass wir weiterfahren können - sie haben die Strasse verbreitert. Doch wir sehen, dass der Lastwagen immer noch im Weg steht. Also warten wir geduldig. Eine Kolonne von Lastwagen hat sich inzwischen bergauf gebildet, deren Fahrer emsig dabei sind, den Weg freizuräumen. Es ist mühsame Arbeit, da die Passage sehr steil ist. Aber nach zusätzlichen Stunden scheint die Strasse endlich breit genug zu sein. Wir starten den Motor, wagen das Manöver und passieren den Lastwagen ohne Schaden zu nehmen. Doch es warten noch zahlreiche weitere Hindernisse wie Betonmaschinen, Nagelbretter und Steinschläge auf uns, die beseitigt werden müssen.
Ich springe mehrmals aus dem Auto und leite Dani durch enge Felspassagen und schmale Abschnitte. Plötzlich stürzt ein entgegenkommender Motorradfahrer im Tal und rutscht genau in unsere Richtung. Kurz vor unserem rechten Vorderrad endet seine Rutschpartie. Der Fahrer gibt uns zu verstehen, dass alles in Ordnung ist, es ist nichts Ernsthaftes passiert. Wir sind mit dem Schrecken davongekommen. Wir begegnen immer wieder kritischen Situationen mit den nepalesischen Busfahrern, die mit überhöhter Geschwindigkeit an uns vorbeirasen oder uns an den unmöglichsten Stellen überholen und uns nur um Haaresbreite verfehlen.
Früh am Morgen starten wir wieder, erholt und ausgeruht, und reihen uns in einen endlosen Stau ein. Die Nepali entpuppen sich als wahrhaft rücksichtslose Fahrer und Drängler. Trotz des Schneckentempos der Kolonne überholen sie von allen Seiten und drängen sich unverfroren vor die korrekten Fahrer. Es entbrennt ein Ringen, ein Krampf und ein Streit um jeden Zentimeter. Ihr Verhalten zwingt den Gegenverkehr oft zum Abbremsen, weil diese Drängler in ihrer Spur stehen oder zumindest der hintere Teil ihres Busses. Dani lässt seinem Ärger lautstark freien Lauf. Er schreit aus dem Auto heraus und ärgert sich dermassen, dass ich dringend eine Pause benötige.
Nachdem unsere Nerven sich beruhigt haben, reihen wir uns erneut in den Stau ein und schaffen es heute zumindest 50 Kilometer voranzukommen. Ein überreguliertes, überwachtes System wie das der Schweiz erscheint uns dennoch weniger sympathisch, denn alles hat stets auch eine Kehrseite. Am nächsten Morgen setzen wir unsere Fahrt zügig fort und erreichen unseren Stellplatz in der Hauptstadt. Nun gilt es, die anstehenden Aufgaben abzuarbeiten: Wäsche abgeben, das iPad-Glas ersetzen, einen Haarschnitt bekommen und unsere Post für die Heimat dem lieben Hans-Ueli übergeben. Ich habe ihn über Facebook kennengelernt und er hat sich bereit erklärt, unser Zolldokument mitzunehmen. Vielen Dank, wir sind dankbar für diese Gefälligkeit.
Wir stehen wieder auf demselben Parkplatz wie vor sechs Monaten. Um 5.30 Uhr reihen wir uns in die vielen Jogger ein, die am Flussufer traben. Hunderte von Menschen betreiben Frühsport, viele davon in riesigen Gruppen (über hundert) und strengen sich unter Instruktion im Yoga an. Lachyoga, Hatha-Yoga und vieles mehr wird angeboten. Die Outdoor-Kraftmaschinen sind gut besetzt und überall erklingen irgendwelche Mantras.
Zu Beispiel das Mantra «Om Mani Padme Hum» Link ab 0:50 min
Wir haben mittlerweile des Rätsels Lösung gefunden, wie sich Nepali high kriegen. Nun, Cannabis gibt’s überall aber für mehr Rausch pflücken die Männer Engelstrompeten. Link
Auf dem Weg zur Grenze nach Tibet finden wir heraus, dass die Strasse in einem desolaten Zustand ist. Trotzdem wählen wir die kürzeste Route und empfinden sie als überraschend angenehm. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Reisende die gleiche Strecke erleben können. Es fällt uns auf, dass wir anscheinend die Einzigen sind, die sich oft abseits der ausgetretenen Pfade bewegen. Aber natürlich haben wir das Fahrzeug, den Mut und die Zeit dafür.
Wir nähern uns den 130 Kilometern zur Grenze langsam und treffen auf einem Parkplatz vor der Grenze unsere Reisegesellen für die kommenden Tage.
Danke, dass du bis zu Ende gelesen hast. Wir freuen uns immer wieder über einen Feedback von dir. Lass es uns wissen, was du denkst und mach uns Vorschläge, über welche Themen wir berichten sollen.