Blog #45, Marlene (Septemper 2025, Argentinien, Salta)

Zitat:

«Wir gehen alle durch dieselbe Tür - auch wenn unsere Hautfarbe verschieden ist.»

Habe ich an einer Hausfassade gelesen, Autor unbekannt

Salta – «La Linda» als Tor zur Puna

Nach endlosen, fast schon eintönigen Kilometern auf geraden Strassen erreichen wir endlich Salta. Unterwegs ziehen ärmlich wirkende Siedlungen vorbei, vermüllt und trist. Immer wieder sehen wir halbrunde, oben offene Backsteinkuppeln, aus denen Rauch aufsteigt – die «hornos ladrillos», Ziegelöfen, die offenbar das Haupteinkommen sichern. Umso überraschender wirkt die Stadt selbst wie eine Oase: lebendig, farbenfroh, umgeben von Bergen. Kolonialbauten mit schmiedeeisernen Balkonen, schattige Plätze mit Palmen und die weissen Türme der Kathedrale verleihen Salta ihren Charme. Nicht umsonst trägt sie den Beinamen «La Linda» – die Schöne.

 

Ein besonderes Erlebnis ist unser Treffen mit Cristina, der Mutter von Renata, die wir in São Paulo getroffen haben. Herzlich empfängt sie uns, ein Stück Zuhause mitten in Argentinien. Als Yogalehrerin schenkt sie uns eine wunderbare Hatha-Stunde, bevor wir gemeinsam frühstücken gehen. Wir lehnen ihr Zimmerangebot dankend ab – im Unimog schlafen wir immer am besten. Danach heisst es: Vorräte auffüllen, Wasser und Diesel tanken, Bargeld via Western Union besorgen. Nach mehr als fünf Jahren unterwegs wissen wir, wie man sich vorbereitet. Denn was vor uns liegt, erfordert Selbstverantwortung – und eine gute Portion Routine.


Aufbruch in die Weite der Puna

Von den grünen Hängen und bunten Märkten Saltas führt unser Weg hinaus in eine völlig andere Welt. Die Farben werden gedeckter: Grau, Braun, Ocker. Die Strassen ziehen sich endlos, die Höhenmeter steigen, die Luft wird dünner – und überall stehen Kakteen. Die stachligen Gesellen faszinieren uns, auch wenn es so wirkt, als würden die meisten uns den Stinkefinger zeigen.

 

Nachts sinken die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt, tagsüber tragen wir übereinander, was unser Kleiderschrank hergibt. Unser Unimog ist startklar – und wir? Vor uns liegt der «grosse Loop» durch die Puna: einsame Höhen, Vulkane, karge Landschaften und unendliche Weite. «Puna» bedeutet in der Sprache der Inkas Hochebene oder kalte, vegetationsarme Höhe – genau dahin zieht es uns.

 

Ein erstes Highlight ist der Cocablätter-Tee, den uns Cristina mitgegeben hat. Seit Jahrhunderten nutzen ihn die Andenbewohner, um Müdigkeit, Erschöpfung und Höhenkrankheit zu lindern. Die Wirkung ist sanft, anregend und fördert die Durchblutung – was die Sauerstoffaufnahme verbessert. Ob er auch gegen Falten hilft, bleibt abzuwarten.

 

Nach zwei Tagen Tee trinken stellen wir jedoch fest: Neben mehr Energie gibt’s auch Wallungen wie zu besten Zeiten der Wechseljahren und obendrein Dünnpfiff. Also Dosis reduzieren – und das Ganze mit Humor nehmen. Einmal mehr ein Beweis, dass Naturmedizin wirkt, aber auch ihre Überraschungen bereithält.


Charme, Handwerkskunst und Geschichten am Dorfrand

Unsere erste Station auf dem Weg hinauf in die Puna ist Cachi, eines der schönsten Dörfer im Calchaquí-Tal. Die Anreise führt uns über den Cuesta del Obispo Pass auf 3450 Meter. Die Strasse windet sich in endlosen Serpentinen nach oben und bietet immer wieder spektakuläre Ausblicke, etwa bei der Passhöhe Piedra del Molino. Im windigen Hochlanddeckten wir uns mit Salami und etwas überteuerter Quinoa ein – eine lokale Stärkung mit regionalem Charakter.

 

 

Konzentriert rollt Dani hinunter nach Cachi. Der Ort erweist sich als überraschend hübsch, ruhig und voller Charme. Kleine Restaurants laden zum Verweilen ein, in den Gassen entdecken wir Handwerkskunst aus Kakteenholz, das hier reichlich wächst. Beim Flanieren stossen wir auf den kleinen Friedhof am Dorfrand: weisse Grabmäler, geschmückt mit bunten Plastikblumen, Kreuze aus Holz oder Metall – schlicht, manchmal liebevoll gestaltet. Manche Gräber sind alt und verwittert, andere frisch gepflegt. Solche Friedhöfe erzählen überall auf der Welt ihre eigenen Geschichten – über Menschen, die hier lebten und gingen.


Unterwegs auf der Ruta 40

Heute setzen wir unsere Reise auf der legendären Ruta 40 fort. Die Landschaft verändert sich ständig, und erstaunt fotografieren wir Rebstöcke, die inmitten weiter Andentäler und staubiger Pisten wachsen. Weinanbau in dieser Höhe hätte ich wirklich nicht erwartet.

 

 

 

Unterwegs stossen wir auf eine lokale religiöse Prozession: ein Feiertag, zu dem Familien aus den umliegenden Dörfern hoch zu Ross durch die staubige Strasse ziehen. Mit Fahnen, traditioneller Kleidung und viel Stolz präsentieren sie ihre Gemeinden. Musik, Gesang und das Klappern der Hufe erfüllen die Luft – wir fühlen uns in eine andere Zeit versetzt.

 

 

 

Vor der Kirche reihen sich die Reiter auf, die Nationalhymne erklingt, und mir steigen die Tränen in die Augen. Der Anlass ist San Cayetano, dem Schutzheiligen von Brot und Arbeit gewidmet – ein zutiefst bewegendes Erlebnis.


Cafayate – Farben, Musik und Weinfreuden

Schon bei unserer Ankunft fällt uns auf, dass die Rebstöcke in Cafayate unterschiedlich erzogen sind: die einen tief und knorrig, die anderen hochgezogen. Dahinter steckt kein Zufall, sondern eine Mischung aus Tradition und Technik. Die alten, niedrigen Reben tragen zwar weniger, doch ihre Trauben sind konzentrierter – die Basis für hochwertigen Wein.

 

Eigentlich wollen wir nur einen gemütlichen Bummel durch den Ort machen, landen aber unverhofft mitten in einer religiösen Prozession. Die Strassen füllen sich im Nu mit Menschen in farbenprächtigen Kostümen, Tänzerinnen und Tänzer wirbeln mit unglaublicher Energie durch die Gassen, begleitet von lauter, fast technohaft klingender Musik. Schweiss tropft, Hingabe dominiert – es ist beeindruckend, wie stark Glaube und Tradition hier in den Anden miteinander verschmelzen.

 

Wir vermuten, einer Morenada beizuwohnen, denn die auffälligen Kostüme und Kopfbedeckungen stammen ursprünglich aus Bolivien. Am Ende des Zuges werden Bier und Empanadas verteilt, und auch wir dürfen zugreifen – welch ein Genuss! Danach noch ein kurzer Abstecher in den Supermarkt: Dani verschwindet wie immer selig zwischen den Weinregalen auf der Suche nach einem lokalen Malbec, während ich den Rest des Einkaufs erledige.

 

 

Was für ein Reiseglück, dass wir immer wieder so unverhofft in Farben, Musik und kulinarischen Freuden landen.


Museo Pachamama – Kunst, Mythos und Mutter Erde

Etwas abseits unserer geplanten Route liegt das Museo Pachamama in Amaicha del Valle. Der Abstecher lohnt sich, denn hier wird die Pachamama – die Mutter Erde der Andenvölker – auf eindrucksvolle Weise geehrt.

 

 

Auf dem grosszügigen Freiluftareal verschmelzen Kunst und Natur. Wir bestaunen Skulpturen von Tieren, Ahnen und Götterwesen, jede Figur erzählt eine Geschichte aus der Weltanschauung der Anden. Mit einem kleinen Heft – natürlich nur auf Spanisch – versuchen wir, die Symbolik zu entziffern. Besonders fasziniert mich der Schamane. Ob ich wohl je einem begegnen werde, einem echten, unverdorbenen, der kein Geld für seine Weisheit verlangt?

 

 

Für die Nacht finden wir in der Einsamkeit einen Stellplatz nach unserem Geschmack. Dani fährt kurzerhand durch tiefen Sand – warum eigentlich? Mit abgesenktem Reifendruck schaffen wir es ohne Schaufeln. Für ihn ist es ein Spielplatz für grosse Jungs, für mich bleibt es ein mystisches Rätsel.


Campo de Piedra Pómez – alleine zwischen Steinwellen

Die Fahrt hierher ist bereits ein Erlebnis: über einen 4000er Pass hinunter in die weite Ebene, wo die ersten Vicuñas am Horizont auftauchen. Glücksgefühle breiten sich aus – und dann, plötzlich, dieses bizarre Meer aus weissgrauen Felsformationen. Der Campo de Piedra Pómez wirkt wie eine Landschaft von einem anderen Planeten. Wir stehen hier völlig alleine im Wind, nur wir und die Stille.

 

 

Nach Sonnenuntergang wagt Dani in dicker Jacke einen Sprung hinaus in die eisige Nacht. Für ihn ist der Sternenhimmel das grosse Highlight: funkelnde Milchstrasse, Sternschnuppen und eine Tiefe, die fast unheimlich wirkt. Der Wind macht die Fotos unscharf – doch wir versuchen es weiter.

 

Ich dagegen geniesse den Sonnenaufgang: die ersten Strahlen tauchen die weissen Felsen in warmes Rot. Zwar ist die Kamera leer, aber mit dem Handy halte ich die Stimmung doch noch fest. Die Landschaft hat vulkanischen Ursprung: eine gewaltige Explosion vor etwa 73'000 Jahren formte diese Welt aus Bimsstein, die seither vom Wind zu bizarren Skulpturen modelliert wurde.


Laguna Diamante – unterwegs im Krater

Die Laguna Diamante liegt mitten im Krater des Vulkans Galán, einer der grössten Calderavulkane der Puna mit über 35 Kilometern Durchmesser. Die Anfahrt führt vorbei an der Laguna Grande, wo uns hunderte Flamingos im eisigen Wind empfangen. Schulter an Schulter stehen die rosa Vögel im flachen Wasser, während wir schon nach wenigen Minuten halb erfrieren. Am Rand ist die Lagune gefroren, wir wagen ein kleines Tänzchen auf dem Eis, beobachtet von neugierigen Füchsen. Und wir sehen unsere ersten Lamas – nach Nandus, Guanakos und Vicuñas nun ein weiterer Andenbewohner auf unserer Liste.

 

Oben angekommen riecht es nach Schwefel. Aus dem Boden steigen weisse Dampfwolken auf – sichtbare Zeichen dafür, dass der Vulkan noch lebt. Das Wasser ist heiss, nur ein kurzer Griff mit der Hand genügt. Besonders faszinieren mich die Fumarolen, kleine Schlote, aus denen die Erde atmet. Eine eindrückliche Kulisse im Inneren eines Vulkankraters – voller Kraft, Farbe und Schönheit.

 

Kalt, windig aber voller Leben und Energie-so werden wir den Tag in unseren Köpfen abspeichern. 


Antofagasta de la Sierra – Zopf und Linzertorte

Zum Wasserauffüllen machen wir einen Abstecher nach Antofagasta de la Sierra. Während Dani die Tanks füllt, ziehe ich neugierig durchs Dorf – meine Paradedisziplin. Tatsächlich gibt es hier eine kleine Bäckerei, die am Samstag ein rundes Brot aus Zopfteig anbietet. Und als Krönung entdecke ich Danis Lieblingskuchen: Linzertorte! Kaum habe ich die Schätze präsentiert, fährt auch noch der Eier- und Gemüsewagen vor. Schnell ein paar Kleinigkeiten eingekauft, und wir sind bestens gerüstet für weitere Tage in der Abgeschiedenheit.

 

Weiter geht es über Stock und Stein, vorbei an Lagunen und über den Abra Kolla Atacamena Pass auf 4600 Metern. Die Route führt quer über den Salar de Antofalla, einen der längsten Salare der Erde, unter dessen Kruste Borax, Lithium und Natriumcarbonat lagern. In Antofalla, einem Dorf mit rund 60 Bewohnern, legen wir einen kurzen Stopp ein. Hier lebt man noch in einfachen Lehmhütten, das Leben wirkt bescheiden und unverändert. Manchmal frage ich mich, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn ich hier geboren wäre. Fotos gibt es heute kaum – ich habe ein «Kameraverbot» erhalten. Der Wind bläst so stark, dass Sandstürme toben. Ich bin gespannt, ob unser Autolack das aushält.


Mina La Casualidad – Geisterstadt in der Puna

Auf 4000 Metern Höhe liegt die Mina La Casualidad, einst eine der wichtigsten Schwefelminen Argentiniens. Zwischen den 1940er- und 1970er-Jahren lebten hier mehr als 3000 Menschen. Es gab alles, was eine Kleinstadt braucht: Schule, Kino, Kirche, Spital und Geschäfte. Der Schwefel wurde in der höher gelegenen Mina Julia abgebaut und über eine 35 Kilometer lange Seilbahn hierher transportiert.

 

 

Als die Schwefelpreise einbrachen, wurde alles aufgegeben. Heute verfällt die Geisterstadt unter den extremen Wetterbedingungen. Wir trotzen dem eisigen Wind und wandern zwischen rostigen Förderbändern, verlassenen Häusern und den Resten der Infrastruktur – stumme Zeugen einer harten Vergangenheit.

 

 

Das Leben hier muss unglaublich entbehrungsreich gewesen sein. Schwefeldämpfe, Staub und Dächer aus Eternitplatten haben die Gesundheit der Arbeiter sicher zusätzlich gefährdet.


Mission Mina Julia – Mission Impossible

Von weitem sehen wir sie schon: die verlassene Mine Julia, unser nächstes Ziel. Doch kurz vor dem Ende müssen wir aufgeben. Immer wieder probieren wir verschiedene Wege, doch der Schnee macht die Pisten unpassierbar. Dani manövriert den Unimog rückwärts an steilen Hängen entlang zurück, weil Wenden unmöglich ist. Der Wind peitscht erbarmungslos gegen das Fahrzeug, die Spannung steigt.

 

Einmal liegt der Mog so schräg, dass die Türfalle fast den Hang berührt. Mein Puls rast, ich schwitze Blut und der Adrenalinpegel ist am Anschlag. Abenteuerlich, ja – aber diesmal heisst es: Rückzug. Die Mine bleibt unbezwingbar, zumindest für uns.

 

Schon von weitem beeindruckt er mit seinen farbigen Hängen, die je nach Mineralien in Rot, Gelb und Grau schimmern. Mit 6739 Metern ist der Llullaillaco einer der höchsten aktiven Vulkane der Welt. Berühmt wurde er durch die «Llullaillaco-Kinder» – drei perfekt erhaltene Kindermumien, die 1999 auf dem Gipfel entdeckt wurden. Sie waren Teil eines rituellen Inka-Opfers (Capacocha).

 

Passend dazu lese ich gerade Unser Teil der Nacht von Mariana Enriquez. Empfehlenswert? Jein – die düstere Atmosphäre und die Grausamkeit der Rituale verlangen starke Nerven.

 

Die Mission Mina Julia bleibt für uns: «mission impossible»

 


Tolar Grande – Oase der Puna

Nach Tagen zwischen Salzseen, Sandstürmen und einsamen Schotterpisten wirkt Tolar Grande fast wie eine Oase. Das Dorf selbst ist schlicht, doch die roten Felsen rundherum leuchten in der Sonne. Natürlich muss einer der Hügel erklommen werden – die Aussicht auf die schneebedeckten Andengipfel entschädigt für die Mühe.

 

Das Naturwunder Ojos de Mar hingegen können wir nicht ganz nachvollziehen. Vielleicht entfalten die kleinen Lagunen zu einer anderen Jahreszeit ihre Magie, heute bleiben sie für uns unspektakulär.

Auf dem weiteren Weg fordert uns die Höhe: Zum ersten Mal überhitzt der Unimog – das «Kühlwasser» kocht. Im Schneckentempo geht es weiter, immer wieder anhalten, Motor abkühlen lassen, und schliesslich doch noch die Passhöhe erreichen. Runter läuft er wie gewohnt problemlos. Wir vermuten Sand im Kühler – nach den letzten Stürmen keine Überraschung. Also: alles demontieren, reinigen, hoffen. Morgen zeigt sich, ob die Operation erfolgreich war.


Zurück in Salta – der gnadenlose Sand der Puna

Nur um wenige Minuten verpassen wir den berühmten Zug – schuld sind kleine Sandhügel und ein notwendiges Dieselanpumpen – wir haben den kleinen Tank leergefahren. Also bleibt uns, das Bild im Kopf entstehen zu lassen: der blaue «Tren a las Nubes», der auf 4200 Metern über das beeindruckende Bauwerk fährt.

 

Das Viadukt Polvorilla selbst ist 63 Meter hoch und 224 Meter lang – ein Meisterwerk argentinischer Ingenieurskunst aus den 1930er-Jahren. Selbst ohne Zug bleibt der Anblick spektakulär.

 

 

Früh am Morgen brechen wir nach Salta auf. Eine lange Pendenzenliste wartet – doch unterwegs zeigt sich das wahre Ausmass der letzten Sandstürme: Unsere Frontscheibe ist übersät mit tausenden feinen Einschlägen. Im Sonnenlicht bricht es sich wie in einem Kaleidoskop – schön anzusehen, aber gnadenlos beim Fahren. Der Fachmann bestätigt: «Mas profundo» – zu tief, um zu polieren. Eine neue Scheibe muss aus Deutschland her, diesmal mit Schutzfolie. Auch am Kühlergrill ist der Schwund sichtbar – Mercedes-Benz Sterne farblos, einer gar zerbrochen. Ein bisschen Verlust gehört wohl dazu.


Camping in San Lorenzo – Familienanschluss inklusive

Noch einmal schauen wir bei Cristina vorbei, kaufen Vorräte, Frostschutz und destilliertes Wasser. Auch für Frank, den charmanten Campingplatz-Besitzer von San Lorenzo, bringen wir gleich etwas mit. Wir verbringen dort einen geselligen Abend mit Reisenden und Franks Tieren, geniessen kulinarische Verwöhn Momente und Reisegeschichten. Zum Frühstück überrascht uns Hanna, seine Workaway-Hilfe, mit Sauerteigbrot – samt Starter, den ich mitnehme. Mein erstes eigenes Sauertbrot wird bald gebacken.

 

Dani demontiert die Kühler und reinigt sie nochmals gründlich mit Wasser um die letzten Sandreste zu entfernen. Jetzt noch Luftfilter reinigen und 16 Liter Kühlwasser wechseln. Am Nachmittag rollen wir entspannt weiter Richtung Jujuy – eine Pause vom Hochland-Alltag tut gut.


Altiplano – die grosse Hochebene

Nun beginnt ein längerer Abschnitt auf 3500 bis 4500 Metern. Das Altiplano erstreckt sich von Nordargentinien über Bolivien bis nach Chile und Peru. Typisch: weite Ebenen, Salzseen, Vulkane, extreme Trockenheit. Tagsüber brennt die Sonne, nachts wird es eisig kalt. Ein Rhythmus, an den wir uns offenbar gewöhnen müssen.

 

In Purmamarca finden wir einen Stellplatz mit Sicht auf Lamas, die ich abends mit dem Farmer füttern darf. Sie stürzen sich begeistert auf unseren Gemüseabfall. Auffällig sind die bunten Märkte – Tücher, Ponchos, Kappen – hier sind wir bei den Indigenen angekommen. Die Atmosphäre ist lebendig, laut, farbig und voller Musik. Auch in Tilcara erleben wir dieses Ambiente, eingebettet in eine Landschaft aus farbigen Felsen, Kakteen und einsamen Tälern.


Viñedos Yacoraite – Weinbau im Herzen der Quebrada

Auf dem Weg zur bolivianischen Grenze fällt uns links ein mächtiger, mehrfarbiger Berg ins Auge – der Cerro Pollera de Coya. Seine Schönheit zwingt uns förmlich zum Anhalten. Dani studiert die Karte, findet eine kleine Abzweigung, und wir biegen ab. Eine schmale Naturstrasse führt uns näher heran.

Nach wenigen Minuten, die Piste wird immer rauer, erscheint oberhalb plötzlich ein spektakuläres Gebäude. Moderner, puristischer Baustil – ein starker Kontrast zu den einfachen Lehmhäusern der Umgebung. Was ist das? Zwischen den Reben eingebettet entpuppt es sich als Weingut – und als Restaurant. Ein Gourmettempel mitten in der Quebrada!

 

Viñedos Yacoraite – ein kleines Paradies auf 2700 Metern Höhe. Hier wachsen Malbec und Cabernet Franc unter extremen Bedingungen, was den Weinen Tiefe und Charakter verleiht – so Dani. Noch mehr beeindruckt uns das Restaurant: In dem luxuriösen, zwei Jahre alten Gebäude, verwöhnt uns Köchin Florencia Rodríguez mit einer Küche, die sowohl den Gaumen als auch das Auge jubeln lässt. Der Berg muss warten – Kulisse und Genuss machen diesen Tag vollkommen.

 

Am nächsten Morgen übernachten wir noch in der Nähe und bewundern endlich den Cerro Pollera de Coya. Es ist Montag – zum Glück. Denn das Restaurant hat geschlossen, und so bleibt uns der Zauber vom Vortag ungetrübt.


Hornocal – der Berg der (angeblich) 14 Farben

Hornocal wird gross als «Berg der 14 Farben» angepriesen. Also zählen wir brav nach. Eins, zwei, drei… hm, vielleicht zwölf… mit viel gutem Willen dreizehn. Aber 14? Nein, beim besten Licht nicht. Vielleicht lag’s am Winkel der Sonne, vielleicht auch an unseren Augen – oder schlicht an der Marketingabteilung.

Natürlich sieht das Gestein mit seinen Zacken und Schichten schon interessant aus. Aber umgehauen hat es uns nicht. Vielleicht waren wir nach all den farbigen Bergen, Tälern und Felsen der letzten Wochen einfach verwöhnt. So bleibt uns Hornocal eher als nettes Ausflugsziel in Erinnerung – und als Beweis, dass sich die Schönheit manchmal einfach besser verkauft, als sie tatsächlich wirkt.

Der Cerro Pollera de Coya wird uns jedenfalls länger in Erinnerung bleiben. Und das nicht nur wegen des Essens in den Viñedos Yacoraite.


Hornaditas – Wanderung mit Einheimischen

Bei Clara und Héctor sowie ihren Lamas fühlen wir uns sofort willkommen. Gemeinsam mit ihrer Nichte Gabi wandern wir zu Petroglyphen in einem abgelegenen Tal. Gabi teilt ihr reiches Wissen über Heilpflanzen – inklusive einer heiteren Geschichte zum «Kräuter-Viagra». Zurück am Hof erleben wir die Lamas hautnah, eines sucht gezielt meine Nähe. Ein unvergesslicher Moment. Clara und Héctor leben fast autark, mit Ackerbau und Lama-Wolle, und verdienen mit Touren ein Zubrot. Schön, so eine indigene Grossfamilie direkt unterstützen zu können.

 

Kurz vor der Grenze füllen wir unseren Dieselvorrat – Bolivien wird einiges anders sein. Doch vor den Zapfsäulen warten lange Schlangen. Mit einem kleinen Umweg stehen wir zwar in einer kürzeren Reihe, dennoch dauert es. Ein Vorgeschmack auf das, was kommt. Für uns heisst es Abschied nehmen: Adiós Argentina – in zwei Monaten sehen wir uns wieder.


Danke, dass du bis zu Ende gelesen hast. Wir freuen uns immer wieder über einen Feedback von dir. Lass es uns wissen, was du denkst und mach uns Vorschläge, über welche Themen wir berichten sollen.